„Toll, was man dem Material abringen kann“

Vorstand und Museumsleiterin Gudrun Schmidt-Esters

Vorstand und Museumsleiterin Gudrun Schmidt-Esters begann schon kurz nach Stiftungsgründung im Keramion.
Bild: Susanne Neumann

 

Gudrun Schmidt-Esters blickt vom grünen Hügel im Skulpturengarten aus hinüber zum Keramion. Die Töpferscheiben-Architektur des Ausstellungsgebäudes ist von hier aus gut zu erkennen. „Das hier ist der schönste Platz“, sagt die Museumsleiterin andächtig. Hinter ihr auf der Anhöhe wurden kürzlich drei große, keramische Stelen mit dem Titel „Entflammt“ installiert – eine Schenkung der Künstlerin Rosemarie Stuffer. Und wenn man den Blick nach links zum museumspädagogischen Pavillon richtet, erblickt man davor eine weitere Schenkung jüngeren Datums: Die Steinzeug-Plastik „Resignation“ der Bildhauerin und Malerin Monika Otto. Beide Arbeiten sind auch Teil der Ausstellung „Herzlichen Glückwunsch! Schenkungen aus 15 Jahren Stiftung Keramion“. Am Sonntag wurde sie eröffnet.

15 Jahre Stiftung Keramion

Der Anlass der Ausstellung steckt im Titel: Die Stiftung feiert in diesem Jahr ihr 15-jähriges Bestehen. Im März 2002 gründete die Stadt Frechen gemeinsam mit dem Keramiksammler, Mäzen und Firmenchef des Frechener Steinzeug-Unternehmens Deutsche Steinzeug Cremer & Breuer, Dr. Gottfried Cremer, mit seinem Unternehmen sowie mit dem Verein für Keramische Kunst, bis dato Träger des privat getragenen Keramions, die Stiftung Keramion. Zustifter waren der Landschaftsverband Rheinland und der Beirat „Wirtschaft für Keramion“ aus den Unternehmen und Institutionen RheinEnergie, Gießharzwerk Frechen, Kreissparkasse Köln, den Quarzwerken, RWE Power, Fabrik Frechen, und der Grosspeter Stiftung.

Stelen "Enmntflammt" von Rosemarie Stuffer im Skulpturengarten des Keramion

Die Künstlerin Rosemarie Stuffer hat der Stiftung Keramion ihre Arbeit „Entflammt“ geschenkt. Die drei Stelen wurden gerade auf einer Anhöhe im Skulpturengarten des Keramion installiert und werden dort dauerhaft bleiben.
Foto: Susanne Neumann

 

Zwei Museen unter einem Dach

Unter dem Dach der Stiftung Keramion wurde die Sammlung Cremer vereint mit dem Bestand des Keramikmuseums der Stadt Frechen als Dauerleihgabe, einer umfangreichen Dokumentation regionaler Keramik vom 13. Jahrhundert bis zu ihrer industriellen Fertigung im 20. Jahrhundert. Das Keramion war bis dahin ein Privatmuseum gewesen, erbaut im Jahr 1971 nach Plänen des Kölner Architekten Peter Neufert und des Ingenieurs Stefan Polónyi, um die stetig wachsende Sammlung moderner keramischer Kunst zu präsentieren, die Gottfried Cremer seit den 1960er Jahren zusammengetragen hatte. Bei Stiftungsgründung war die Sammlung Cremer mit rund 5.000 keramischen Unikaten von mehr als 500 Künstlern eine der größten deutschen Privatsammlungen moderner Keramik.

„Das Spannende war, dass zwei Museen mit unterschiedlichen Strukturen zusammenkamen“, beschreibt Gudrun Schmidt-Esters die Herausforderung, die sich mit Stiftungsgründung stellte. Die Kunsthistorikerin war nahezu von Anfang an dabei. Im Herbst 2002 übernahm sie den Vorstand der jungen Stiftung und wurde Museumsleiterin, zunächst zusammen mit Dorette Kleine, die bis dahin das städtische Keramikmuseum geleitet hatte und im Keramion die Abteilung Historische Keramik übernahm. Im April 2004 ging Dorette Kleine in Rente.

Vielfältiges Material

Gudrun Schmidt-Esters war bei ihrem Antritt für die moderne Keramik zuständig. Das Keramion kannte sie bereits aus den 1990er Jahren, als ihre frühere Kommilitonin Dr. Claudia McDaniel-Odendall dort gearbeitet hatte. „Ich fand diese keramischen Arbeiten ganz toll“, erzählt sie davon, wie in dem Spezialmuseum ihre Leidenschaft geweckt wurde. Ein paar Jahre, bevor sie im Keramion anfing, hatte Gudrun Schmidt-Esters selbst eine Galerie für keramische Kunst in Köln eröffnet. „Das Material bietet so viele Ausdrucksmöglichkeiten“, schwärmt sie „ich finde immer wieder toll, was man ihm abringen kann.“

Eindrucksvoll demonstriert zum Beispiel die Arbeit „Der Himmelsbohrer“ von Gabriele Pütz die vielseitigen Ausdrucksmöglichkeiten von Keramik: Das Material erweckt den Anschein von Metall und ledernen Kissen.

"Der Himmelsbohrer" von Gabriele Pütz

Eindrucksvoll demonstriert die Arbeit „Der Himmelsbohrer“ von Gabriele Pütz die vielseitigen Ausdrucksmöglichkeiten von Keramik. Er ist Teil der Ausstellung Herzlichen Glückwunsch! Schenkungen aus 15 Jahren Schenkungen. Bild: Susanne Neumann

Was für das Auge spannend ist

69 Ausstellungen hat das Keramion-Team unter der Leitung von Gudrun Schmidt-Esters seit 2003 organisiert, 21 Kataloge sind seitdem erschienen. Sonderausstellungen präsentieren zeitgenössische nationale und auch internationale Künstler. Bekannten Keramikgrößen wie Beate Kuhn, Klaus Schultze, Gertraud Möhwald oder Gilbert Portanier wurden ebenso Einzelausstellungen gewidmet wie den Nachwuchskünstlern Johannes Nagel und Marianne Eggimann. Neben der historischen Dauerpräsentation regionaler Keramik werden Wechselausstellungen mit Keramiken aus den eigenen Beständen unter inhaltlichen Aspekten mehrmals jährlich neu zusammengestellt. Aktuell zeigt das Keramion im lichten Erdgeschoss und parallel zur Ausstellung anlässlich des Jubiläums internationale Keramik aus eigenen Beständen – übrigens nicht zusammengestellt und gruppiert nach Ländern, sondern nach ästhetischen Gesichtspunkten. Gudrun Schmidt-Esters: „Wir haben darauf geachtet, dass es für das Auge spannend ist.“

Das gilt auch für die Ausstellung „Herzlichen Glückwunsch! Schenkungen aus 15 Jahren“, die am Sonntag parallel zur Ausstellung „Keramion – Keramik international“ eröffnet wurde. Sie zeigt im Untergeschoss teils in Vitrinen, teils freistehend sowohl moderne als auch historische Einzelstücke, die überwiegend aus Sammlungen stammen, teils aber auch von Künstlern selbst in den 15 Jahren seit Stiftungsgründung geschenkt wurden.

Japaner machten den Bartmannkrug nach

Zu sehen sind unter anderem rund 100 Steinkrüge aus der Sammlung von Gerd Steinmetzer, der sich unter anderem für die Einrichtung des städtischen Keramikmuseums im Jahr 1985 stark gemacht hatte. Der Frechener Sozialdemokrat verstarb im Oktober vergangenen Jahres und vermachte dem Keramion seine umfangreiche Privatsammlung, darunter viele historische Bartmannkrüge. Die Tonkrüge mit dem Gesicht eines Bartträgers wurden im 16. bis ins 19. Jahrhundert in Frechen hergestellt und gelangten über die Handelsrouten auf See in die ganze Welt. Unter den aktuellen Exponaten im Keramion befindet sich auch ein Bartmannkrug, der in Japan hergestellt wurde. Man wisse, dass die Bartmannkrüge aus Frechen Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts auch nach Japan verschickt wurden, erklärt Gudrun Schmidt-Esters die Historie. „Aber die waren wahrscheinlich sündhaft teuer. Da hat man sie in Japan nachgemacht.“ Aus welcher Zeit ein historischer Bartmannkrug stammt, erkennen die Fachleute im Keramion übrigens gut an den eingearbeiteten Gesichtern: Je differenzierter die Gesichtszüge ausgearbeitet sind, desto älter ist der Bartmannkrug.

Viel zu tun

Das Zentrum des Ausstellungsraumes dominieren drei freistehende moderne Arbeiten, darunter eine typische Arbeit der Krefelderin Monika Otto, der im Jahr 2010 eine Sonderausstellung im Keramion gewidmet war und die im August einen Workshop im Keramion leiten wird. Und die aus drei Objekten bestehende Installation „Verhältnis von Volumen und Zwischenraum II“ des Nachwuchskünstlers Kiho Kang. Der Koreaner wird mit seinen Arbeiten auch am Frechener Töpfermarkt am 13. und 14. Mai teilnehmen.

Ausstellung "Herzlichen Glückwunsch! Schenkungen aus 15 Jahren Stiftung Keramion"

Die Ausstellung im Untergeschoss des Keramion zeigt Schenkungen aus 15 Jahren Stiftung Keramion. Im Vordergrund: „Hommage“ von Monika Otto.
Bild: Susanne Neumann

 

Veranstaltungen wie Künstlerworkshops und die Organisation des alljährlichen und international bekannten Frechener Töpfermarkts zählen neben Ausstellungen und Führungen zu den vielfältigen Aufgaben des Keramion-Teams. Seit Stiftungsgründung wurde das museumspädagogische Angebot stark ausgebaut – auch in enger Zusammenarbeit mit Kindergärten, Schulen und anderen Einrichtungen. Im Jahr 2012 wurde für die museumspädagogischen Aktivitäten ein Pavillon auf dem Museumsgelände eröffnet. „Mir ist wichtig, dass die Kinder die regionale Tradition kennenlernen“, beschreib Gudrun Schmidt-Esters die Zielsetzung der Führungen und Workshops für Kinder, „aber auch, dass sie ihre Kreativität ausleben.“

Ungünstige Lage

Allein mit der Lage des Keramions ist die Museumsleiterin nicht so glücklich, sie wäre heute lieber im Zentrum der Stadt, wie sie verrät. Als das seit 2002 denkmalgeschützte Ausstellungsgebäude 1971 erbaut wurde, schloss es an das Gelände der Tonröhrenfabrik Cremer & Breuer an. Das komplette Werksgelände – mit so spektakulären keramischen Werken wie dem gewaltigen Wandbild „Jonas und der Wal“, das die Fassade der Fabrik schmückte, oder dem „Mexiko-Bau“ mit seinen als Fassade verwandten speziellen Steinzeugplatten mit Inka-Motiven, wurde bis 2010 abgerissen und ist heute ein Gewerbegebiet. Wer das Keramion besucht, kommt gezielt hierher, „Laufkundschaft“ habe man keine, bedauert die Museumsleiterin. „Wir sind hier hängen geblieben“ beschreibt sie die Lage am Rande des neuen Gewerbegebiets. „Mit dem Werk im Hintergrund war das schlüssiger.“

 

Die Ausstellung „Herzlichen Glückwunsch! Schenkungen aus 15 Jahren Stiftung Keramion ist vom 19. März 2017 bis zum 4. Februar 2018 zu sehen.

Die Ausstellung „Keramion – Keramik international“ läuft bis zum 23. April 2017.

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