Verkaufsoffene Sonntage auf dem Prüfstand

C & A in Frechen

Große Geschäfte wie C & A sollen beim verkaufsoffenen Sonntag zum Bauernmarkt geschlossen bleiben.
Foto: S. Neumann

 

Nur einer von vier geplanten, verkaufsoffenen Sonntagen im Jahr 2017 ist schon beschlossene Sache – und der verdient kaum seinen Namen. Am Dienstag winkte der Rat der Stadt Frechen mit großer Mehrheit die Sonntagsöffnung zum ersten Frechener Bauernmarkt am 2. April durch. Der entsprechenden Verordnung zufolge dürfen jedoch nur Geschäfte innerhalb der Fußgängerzone auf der Hauptstraße und Antoniterstraße öffnen. Und obendrein nur solche, die nicht mehr als 500 Quadratmeter Verkaufsfläche haben. Einer Erhebung der Stadtverwaltung zufolge bleiben demnach zu: C & A, Kodi, H & M Mode, Strauss Innovation, Rossmann und auch Rewe City. Aufgrund neuer rechtlicher Anforderungen sah sich die Stadt zu diesen Beschränkungen vorsichtshalber gezwungen. Denn die Gewerkschaft Verdi lässt derzeit in anderen Städten und Kommunen in NRW eine Sonntagsöffnung nach der anderen gerichtlich untersagen.

Deutliche Umsatzeinbußen

„Das ist der Anfang vom Ende unserer Fußgängerzone“, reagiert der Vorsitzende des Aktivkreises Cornel Lindemann-Berk auf den Ausschluss der Geschäfte mit mehr als 500 Quadratmetern Verkaufsfläche. Für die betroffenen Läden bedeute der Ausschluss von den verkaufsoffenen Sonntag einen Verlust von bis zu 3 Prozent ihres Jahresumsatzes pro Sonntagsöffnung. „Wenn wir attraktiven Läden wie H & M solche Umsatzeinbußen bescheren, dann wandern die ab“, fürchtet er. „Neue interessante Geschäfte kommen aber nur dahin, wo auch schon andere sind.“

Vier verkaufsoffene Sonntage pro Jahr

Die Sonntagsruhe ist seit jeher ein gesellschaftlicher und politischer Zankapfel. In der so genannten „Sonntagsallianz“ treten die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und die beiden großen Kirchen seit über 10 Jahren für den Sonntagsschutz ein. Das deutsche Grundgesetz gebietet ihn, entsprechend verbietet das Ladenschlussgesetz des Bundes den meisten Geschäften den Verkauf ihrer Waren an Sonn- und Feiertagen. Nur ausnahmsweise dürfen sie öffnen, nämlich „aus Anlass von Märkten, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen an jährlich höchstens vier Sonn- und Feiertagen.“ Näheres regeln die Ladenöffnungsgesetze der Länder.

Folgenschweres Urteil

Im November 2015 fällte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) ein folgenschweres Urteil: Demnach ist eine sonntägliche Ladenöffnung nur dann mit dem Sonntagsschutz vereinbar, wenn der Anlass für die Sonntagsöffnung, also eine Veranstaltung wie der Bauernmarkt, für sich genommen einen beträchtlichen Besucherstrom anzieht. Die Zahl der Besucher muss die zu erwartende Zahl der Ladenbesucher übersteigen. Außerdem muss die Ladenöffnung auf das Umfeld des Marktes begrenzt bleiben. Die großen Geschäfte im Gewerbegebiet Europaallee, wie das Möbelhaus Porta zum Beispiel, das an den verkaufsoffenen Sonntagen in der Vergangenheit immer geöffnet hatte, wäre damit ausgeschlossen.

Als das Oberverwaltungsgericht Münster das Urteil des BVerwG im Juni 2016 aufgrund einer Klage gegen die Kommune Velbert angewendet hatte, blies die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in einem Schreiben vom Oktober 2016 an alle Kommunen und kommunalen Spitzenverbände in NRW zum Angriff. In dem Rundbrief forderte sie schlüssige Prognosen zu den erwarteten Besucherzahlen jeder Veranstaltung mit verkaufsoffenem Sonntag und schlussfolgerte: „Ist die Verkaufsfläche der Geschäfte, die geöffnet haben können, ungleich größer als die Fläche des Marktes, der als Anlass für die Sonntagsöffnung dient, spricht schon dies gegen eine prägende Wirkung des Marktes.“ Verdi drohte: „Wir behalten uns weiter vor, den verfassungsrechtlich vorgegebenen Schutz der Sonn- und Feiertage gegebenenfalls gerichtlich durchzusetzen.“

Sonntagsöffnung auf dem Prüfstand

Aus diesem Grund schritt die Stadtverwaltung Frechen zu einer umfangreichen Einzelfall-Prüfung, als der Aktivkreis Frechen, ein Zusammenschluss von Frechener Geschäftsleuten, im November 2016 wie jedes Jahr die vier verkaufsoffenen Sonntage für 2017 im Paket beantragte –  den ersten zu einem neuen Bauernmarkt am 2. April, den zweiten zum Stadtfest am 4. Juni, den dritten zum Deutsch-Holländischen Stoffmarkt am 10. September und den vierten zum Martinsmarkt am 5. November. „Wir müssen jetzt mit vielen Zahlen und Statistiken belegen, warum es einen offenen Sonntag braucht“, erklärt Stadtsprecher Thorsten Friedmann die rechtliche Lage.

In den letzten Jahren hatte der Rat der Stadt Frechen die Anträge des Aktivkreises immer im Paket abgenickt. Am vergangenen Dienstag stand nun ausschließlich der Beschluss zum verkaufsoffenen Sonntag beim Bauernmarkt am 2. April auf der Tagesordnung des Rates. Die anderen Anlässe für Sonntagsöffnungen würden auf Grund der Rechtsentwicklung in nachfolgenden Ausschuss- und Ratssitzungen vorgestellt, hieß es in der Beschlussvorlage.

Verbot aller verkaufsoffenen Sonntage in Frechen droht

Die Stadtverwaltung fragte beim Veranstalter des Bauernmarktes, dem Brühler Veranstaltungsservice AVA, die zu erwartenden Besucherzahlen an. Sie begrenzte die Genehmigung zur Sonntagsöffnung auf die Geschäfte in der Fußgängerzone, um die geforderte räumliche Nähe zum Markt zu gewährleisten, und legte eine Obergrenze von 500 Quadratmetern Verkaufsfläche für die teilnehmenden Geschäfte fest, damit die Gesamt-Verkaufsfläche der Läden sicher kleiner sein werde, als die Gesamtfläche des Bauernmarktes.

Dennoch lehnte Verdi die Sonntagsöffnung zum Bauernmarkt grundsätzlich ab: „Unserem Eindruck nach handelt es sich beim geplanten Bauernmarkt am 2.4.2017 um einen Markt, der jetzt neu geschaffen wird, um überhaupt eine Sonntagsöffnung zu ermöglichen“, heißt es in einer Stellungnahme vom Februar. Einen Anlass erst zu schaffen, um die Sonntagsöffnung zu ermöglichen sei jedoch nicht zulässig, erklärt Verdi und beruft sich dabei auf entsprechende Hinweise des NRW-Wirtschaftsministeriums. Beim ‚Deutsch-Holländischer Stoffmarkt‘ und dem ‚Martinsmarkt‘ gebe es zumindest eine nachvollziehbare Tradition und eine Bekanntheit in der Region, schreiben die Verdi-Vertreter weiter. „Aber auch bei diesen Veranstaltungen dominiert eindeutig das kommerzielle Ereignis, welches nicht dem Sinn des Gesetzes entsprechen (sic.). (…) Wir werden das weitere Verfahren bei der Stadt Frechen beobachten und gegebenen falls (sic.) weitere Schritte einleiten.“

Stadtfest mit Kirmes auf der Antoniterstraße

Ein verkaufsoffener Sonntag weniger: Zum traditionellen Stadtfest im Sommer hatten die Läden in Frechen sonntags immer geöffnet. Für dieses Jahr wurde das Fest abgesagt. Foto: privat

Stadtfest 2017 abgesagt

Einer der vier verkaufsoffenen Sonntage in 2017 entfällt ohnehin schon, nämlich der zum traditionellen Stadtfest im Sommer, das unlängst abgesagt wurde. Begründet hatte der Veranstalter Gaudium die Absage mit Problemen bei der Vermarktung der Stellflächen, die durch immer neue Sicherheitsauflagen ständig kleiner würden. Gleichzeitig stiegen die Kosten, sodass sich die Ausrichtung finanziell nicht mehr lohne. Ein Stadtfest im kleineren Rahmen komme für Gaudium auch nicht in Frage, erklärt Cornel Lindemann-Berk. „Der Veranstalter hat mir erklärt, dass das ein Verlustgeschäft wäre.“ Die Absage des Stadtfestes bedauert der Aktivkreisvorsitzende noch aus einem anderen Grund: „Wenn so eine Traditionsveranstaltung ausfällt, ist das auch ein enormer Verlust an Lebensqualität für alle Frechener.“

 

Katholische Kirche gegen verkaufsoffene Sonntage

Regelmäßig und von Rechts wegen werden zur Freigabe der verkaufsoffenen Tage in einer Kommune Stellungnahmen von den zuständigen Gewerkschaften, Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbänden, Kirchen, der Industrie- und Handelskammer sowie der Handwerkskammer eingeholt. Alle Stellungnahmen zur Sonntagsöffnung beim Bauernmarkt hat die Stadt Frechen im Online-Sitzungskalender veröffentlicht.

Gegen einen verkaufsoffenen Sonntag zum Bauernmarkt im April sprach sich neben der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi auch die katholische Kirche in Frechen aus – wie in anderen Fällen in den vergangenen Jahren übrigens auch. In seiner Stellungnahme erklärt Pfarrer Christoph Dürig den „Sonntag als gesellschaftlichen Tag des Innehaltens“ zum Exponat der Werteordnung des christlich-jüdisch geprägten Abendlandes. Angesichts der „Zuwanderung von sehr vielen Menschen mit einem anderen religiös-kulturellen Hintergrund“ fragt er: „Wie können Menschenrechte und Werte, Meinungs- und Religionsfreiheit, Demokratie u.a.m. mit einem noch höheren Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund glaubwürdig gelebt, vermittelt und verteidigt werden?“ Und schließt: „Der verkaufsoffene Sonntag, der geprägt ist von Profitdenken der ortsansässigen Gewerbetreibenden, stellt diese Glaubwürdigkeit in Frage, weshalb wir als Kirche in Frechen diese Anfrage nach wie vor nicht unterstützen können.“

Einverstanden mit dem verkaufsoffenen Sonntag zum Bauernmarkt zeigte sich dagegen das Presbyterium der evangelischen Kirchengemeinde Frechen, ebenso die IHK Köln, die Handwerkskammer und der Einzelhandelsverband.

Bei der Abstimmung im Stadtrat am Dienstag lehnten die beiden Vertreter der Fraktion Die Linke die Sonntagsöffnung zum Bauernmarkt ab mit der Begründung, die Stellungnahmen von Verdi und der katholischen Kirche in Frechen seien in der Beschlussvorlage der Verwaltung nicht hinreichend berücksichtigt. Auch aus den Reihen der SPD und von Bündnis 90/ Die Grünen gab es je eine Gegenstimme.

 

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