Der Bartmannkrug – ein großartiges Wahrzeichen
„Der Bartmann lebt!“ ist Titel einer Sonderausstellung im Frechener Keramikmuseum Keramion – und Statement zugleich. Auch wenn der letzte professionelle Töpfer vor zehn Jahren aus Frechen verschwand und mit ihm die Fertigung von Bartmannkrügen, taucht der Bartmannkrug bis heute vielerorts in Frechen auf – als Türgriff oder Plastik im öffentlichen Raum, als Weihnachtsbeleuchtung, Karnevalsorden, als Praline gar und nicht zuletzt im Wappen der Stadt. „Der Bartmann ist ein großartiges Wahrzeichen“ würdigt die Leiterin des Keramikmuseums Keramion, Gudrun Schmidt-Esters, das populärste Erzeugnis Rheinischen Steinzeugs. Für die Ausstellung im Keramion trugen sie und ihre Mitarbeiterinnen Hinweise auf die Identität stiftende Wirkung des Bartmannkrugs für die Frechenerinnen und Frechener und ihre Stadt zusammen.
Zeugnisse einer Jahrhunderte alten Handwerkskunst
Das Keramion beherbergt eine umfangreiche Sammlung historischer Bartmannkrüge aus den verschiedenen Epochen. Die Steinzeug-Krüge mit dem Gesicht eines Bartträgers wurden seit dem 16. bis ins 19. Jahrhundert in Frechen hergestellt und gelangten schon im 16. und 17. Jahrhundert über die Handelsrouten auf See in die ganze Welt. Als Logo bürgte der Bartmann für hohe Qualität. Die Steinzeug-Krüge aus Frechen waren wasserdicht, geschmacksneutral, säurebeständig und äußerst robust.
An den eingearbeiteten Gesichtern erkennen Fachleute, aus welcher Zeit ein historischer Bartmannkrug stammt: Je differenzierter die Gesichtszüge ausgearbeitet sind, desto älter ist der Bartmannkrug. In England war insbesondere die durch die Salzglasur mit einem einzigartigen Fleckenmuster bedeckte „tiger ware“ – „getigerte Ware“ – beliebt.
Die oberflächennahen Tonvorkommen und große Waldbestände, die das nötige Brennholz für die Töpferöfen lieferten, waren die Basis für die Entwicklung Frechens zu einem der wichtigsten Töpferorte des Rheinlandes. Mitte des 16. Jahrhunderts verlagerten auch die Kölner Kannenbäcker ihre Produktion in das nahe Handwerkerdorf Frechen, weil in Köln die Brandgefahr zu sehr gefürchtet wurde, die von ihren Töpferöfen ausging. In Frechen wurden die Bartmannkrüge, aber auch andere Steinzeug-Erzeugnissen und Irdenware in ungeheuren Mengen hergestellt. In der Blütezeit des Frechener Töpferhandwerks waren bis zu 50 Töpferbetriebe gleichzeitig tätig.
Im Jahr 1928 genehmigte das Preußische Staatsministerium in Berlin der Gemeinde Frechen ein eigenes Wappen zu führen. Entworfen worden war es von dem Kölner Wappenkünstler/Heraldiker Arnold Steiger. Er übernahm das Wappen der Herzöge von Jülich – jahrhundertelang Landesherren über große Teile des Gemeindegebiets – und gab dem „Jülicher Löwen“ einen Bartmannkrug in die Pranken – das Markenzeichen Frechener Handwerkskunst. Das Wappen blieb, als Frechen im Jahr 1951 zur Stadt erhoben wurde.
Steinzeug und Irdenware – der Unterschied
Steinzeug ist die Bezeichnung für alle Arten hochgebrannter, stoßunempfindlicher Keramik, deren Scherben (Singular, A.d.R.) beim Brand sintert, das heißt wasserundurchlässig wird. In Abhängigkeit von der Zusammensetzung der Tonmassen liegt der Zeitpunkt der Sinterung zwischen 1.200 und 1.400 Grad Celsius. Für diese sehr hohen Brenntemperaturen eignet sich nicht jeder Ton.
Im Unterschied dazu wurde in Frechen auch die hellere Irdenware als Haushaltsgeschirr produziert. Im bayerischen Raum wird diese Keramikart auch ‚Hafnerware‘ genannt. Irdenware wird bei 850 bis 1100 Grad Celsius gebrannt, der Scherben bleibt porös und benötigt eine Glasur, damit er wasserundurchlässig wird. In Frechen verwandte man eine transparente Bleiglasur über Schlickermalerei.
Text: Gudrun Schmidt-Esters
Den Rhein hinunter gelangten die Bartmannkrüge von Frechen über Köln nach Holland, von wo aus sie in die ganze Welt verschifft wurden. „Wohin der Handel sie von dort führte, hat erst die Archäologie der letzten Jahrzehnte ans Licht gebracht“, schreibt der Historiker Detlev Ellmers in einem Artikel über drei Bartmannkrüge aus der Zeit um 1700, die zur Sammlung des Deutschen Schifffahrtsmuseums gehören. „Besonders Schiffsarchäologen kennen die Bartmannskrüge gut; denn diese sind so robust, daß selbst jahrhundertelanges Liegen im Meer sie kaum angreift.“ Man findet Bartmankrüge entlang der internationalen Seewege und Handelstrouten des 16. bis 18. Jahrhunderts, insbesondere der niederländischen „Vereinigten Ostindien Kompanie“ (Vereenigde Oostindische Compagnie/VOC).
Bartmann – weltweit gesucht!
Unter der Überschrift „Bartmann – weltweit gesucht!“ sammelt das Keramion seit 2018 Fundorte von Bartmannkrügen in der ganzen Welt. Wer mehr oder weniger fern von Frechen einen Bartmannkrug entdeckt, ist aufgerufen, ein Foto zu schießen und es zusammen mit Angaben zum Fundort und ein paar Stichworten zu den Umständen des Fundes an das Museum zu schicken. Die bis dato mehr als 50 Einsendungen wurden für die Ausstellung „Der Bartmann lebt!“ samt Hinweisen zu ihrer Reisegeschichte auf einer Entfernungslinie einsortiert. Per Luftlinie am weitesten entfernt von Frechen sind einige Fundorte auf dem australischen Kontinent.
An der australischen Westküste wurden bei meeresarchäologischen Untersuchungen viele Zeugnisse Rheinischen Steinzeugs gefunden. Das niederländische Handelsschiff der „Vergulde Draeck“ zum Beispiel, das 1656 vor Australiens Westküste unterging, hatte Bartmannskrüge voll Quecksilber geladen. Das Bild eines im Wrack gefundenen Bartmannkrugs zierte eine australische 50-Cent-Briefmarke.
Historische Töpfereisiedlung
Im 16. Jahrhundert konzentrierten sich die Töpfereinen in Frechen entlang der Alte Straße und der Hauptstraße. Heute steht der Bereich als Teil der historischen „Töpfereisiedlung Frechen“ unter Denkmalschutz. Noch immer werden dort bei Grabungen „Scherbennester“ im Boden entdeckt, das sind Ansammlungen keramischer Bruchstücke aus Fehlbränden.
Zuletzt wurden bei Grabungen an der Rosmarstraße im Jahr 2019 mehrere Töpferöfen und Abfallgruben mit Fehlbränden ausgegraben, die weitere Erkenntnisse zur Geschichte Frechens als Töpferstadt brachten. Einige Bartmannkrüge, die bei der archäologischen Grabung an der Rosmarstraße zu Tage kamen, sind erstaunlich gut erhalten. Das Keramion zeigt zur Ausstellung Fundstücke.
Frechener Bartmannkrug allgegenwärtig
Der mit 2,39 Metern Höhe größte Bartmannkrug der Welt steht in der Frechener Fußgängerzone (Sternengasse). Die Steinzeugplastik des Töpfers Manfred Zimmermann und des Bildhauers Manfred Holz wurde im Jahre 2001 anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Stadt Frechen aufgestellt.
Der Bartmann-Brunnen des Frechener Bildhauers Olaf Höhnen aus dem Jahr 1982 steht nur wenige Meter vom größten Bartmannkrug der Welt entfernt ebenfalls in der Fußgängerzone. Er besteht aus zu Säulen aufgestapelten Bartmannkrügen aus Bronze. Sein aktueller Zustand schreit allerdings nach Renovierung ….
Der Bartmannkrug als Kunstprojekt …
Seit 2010 gibt das Frechener Künstlerpaar Rose Schreiber und Michael Mayr jedes Jahr eine „art-bart-card“ heraus – auf eigene Kosten und in einer Auflage von 1000 Stück. Die Karten zeigen den Bartmann als Motiv einer mal augenzwinkernden, mal tiefsinnigen und immer spielerischen Auseinandersetzung mit Frechens Wahrzeichen.
Ein Jahr lang (2017/2018) fragte die Kunstpädagogin Anna Kölzer in verschiedenen Frechener Institutionen wie Kindergärten oder Seniorenresidenzen nach Wünschen und Träumen für Frechen. Was bei Ihrem Projekt „Frechen träumt“ herauskam, brachte sie mit einem Bartmannkrug auf einem riesigen Plakat zusammen, dass viele Wochen an einer Wand des Parkhauses Josefstraße hing. Leider wurde es dort angekokelt und daher abgenommen. Zur Ausstellung „Der Bartmann lebt!“ wurde das Plakat zwischen Ober- und Untergeschoss im Lichthof im Keramion aufgehängt. Unten findet man auch den großen Bartmannkrug, den Anna Kölzer zum Auftakt der Frechener Kulturwoche in 2016 bastelte, um ihn kunterbunt bemalen zu lassen. Darin steckt ein Strauß mit Träumen und Wünschen aus Frechen für Frechen.
Wie viele andere folgten Anna Kölzer und Tochter Carla auch dem Aufruf, als das Keramion das Publikum im Frühjahr 2020 zu Beginn der Corona-Pandemie einlud, eigene künstlerische Beiträge zum Thema Bartmannkrug für die Ausstellung „Der Bartmann lebt!“ einzureichen. Unter der Überschrift „Kreativ durch die Coronazeit“ ist mit den Publikumsbeiträgen auch ein Zeitdokument entstanden!
Seit 2016 verbinden die Frechener Realschule und das Keramion eine Bildungspartnerschaft. Schülerinnen und Schüler aus drei Klassen unterschiedlicher Jahrgänge modellieren alljährlich in den Werkstätten des Museums ihre persönlichen Interpretationen des Bartmannkrugs. Beim Familientag im Keramion werden die Werke dann ausgestellt. Die Sonderausstellung „Der Bartmann lebt!“ zeigt Arbeiten der Klasse 7c vom März 2020.
Auch mit der Hauptschule Herberstkaul verbindet das Keramion eine Bildungspartnerschaft. Die Sonderausstellung „Der Bartmann lebt!“ zeigt Arbeiten der Ton AG von November/Dezember 2019.
Paare, die auf dem Standesamt im Frechener Rathaus heirateten, schenkte die Stadt Frechen früher einen Bartmannkrug – im Bild oben der, den die Autorin dieses Beitrags und ihr Mann zu ihrer Hochzeit im Dezember 2012 im alten Rathaus erhielten. Dazu gab es ein Echtheitszertifikat aus der Töpferei von Manfred Zimmermann, der die Frechener Bartmannkrüge als letzter professioneller Keramiker von Frechen noch fertigte. Als Manfred Zimmermann seine Werkstatt in der Keimesstraße vor rund zehn Jahren schließen musste, war dies das Ende der Produktion des Frechener Bartmannkrugs.
Heute werden Bartmannkrüge nur noch in der Töpferei Matthias Kurtz in Langerwehe im Kreis Düren gefertigt. Immerhin zählt Langerwehe auch zu den historischen Zentren der Rheinischen Steinzeug-Produktion.
Zum Nachlesen / Quellen für diesen Beitrag
Gudrun Schmidt-Esters/Stiftung Keramion (Hrsg.): „Der Bartmann lebt!“, 6.9.2020 – 21.2.2021, Keramikmuseum KERAMION, Frechen (2020)
Ellmers, Detlev: „Die Aussagen dreier Bartmannskrüge zur Schiffahrt um 1700“. In: Deutsches Schiffahrtsarchiv, 27 (2004)
https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-55843-7
Stadtarchiv Frechen/ Göbels, Karl: Wappen von Frechen, Frechen (1966)
https://www.stadtarchiv-frechen.de/stadtgeschichte/zahlen-daten-fakten/stadtwappen
Rheinland.info, https://www.rheinland.info/regionen/naturparke/naturpark-rheinland/poi-detailseite-naturpark-rheinland/poi/11643/plastik-bartmannkrug/index.html
Herzlichen Dank an Olga Moldaver, Christine Otto und Gudrun Schmidt-Esters vom Keramion für die ausgiebige Führung durch die Ausstellung „Der Bartmann lebt!“ und die vielen Informationen über den Bartmannkrug als „ein großartiges Wahrzeichen“!
Vielen dank für diese großartige Auseinandersetzung. Ich habe noch eine Frage zu den Foto mit das Unterschrift: „Bartmannkrüge verschiedener Epochen im Keramion, rechts: „tiger ware“
Foto: Susanne Neumann“. Ich möchte gerne informieren was der Herstellungsdatum des Bartmannkruges in dem Mitte ist, also der zweite von rechts mit die Soldatenmedaillons auf seiner Bauch. Ich dachte, vielleicht ist das Zettel im originalen Foto noch zu lesen.
Entschuldigung für mein unzureichendes Deutsch und vielen Dank im voraus für ihren Antwort.
Herzlichen Dank für die ausführlichen Informationen über das Frechener Wahrzeichen! Das KERAMION freut sich auch weiterhin über die Zusendung von Bartmann-„Entdeckungen“ aus aller Welt, die hoffentlich bald wieder möglich sein werden.