Die Chancennutzer – Vom CJD auf den freien Arbeitsmarkt

Domenique Schramm bekam eine Chance und nutzte sie: Schon nach ein paar Tagen Probearbeiten im „Unicado“, dem Kaufhaus des CJD Berufsbildungswerks Frechen, hatte sie überzeugt und konnte dort eine Ausbildung zur Verkäuferin starten. Da war Domenique Schramm bereits 24 Jahre alt und hatte gerade entschieden, sich von ihrer seelischen Behinderung nicht länger unterkriegen zu lassen. „Borderline-Störung“ lautete die Diagnose, die die junge Frau mit Anfang 20 bekommen hatte. Damals wurde sie als ungelernte Kraft im Einzelhandel ausgebeutet und bekam sich im Alltag „nicht gelevelt“, wie sie das nennt. Panikattacken, Depressionen und andere Symptome der Persönlichkeitsstörung hatten sie auch körperlich krank gemacht. Heute schaut die 26-Jährige auf eine erfolgreiche zweijährige Vollausbildung zurück. Nach einer Prüfung im Sommer wird sie noch ein drittes Ausbildungsjahr zur Einzelhandelskauffrau mit Schwerpunkt Zoofachhandel dranhängen. Einen entsprechenden Vertrag mit einer Zoohandlung in ihrer Heimatstadt hat sie schon in der Tasche. Ein gutes Halbjahreszeugnis im zweiten Ausbildungsjahr am CJD Frechen war die Bedingung für dieses dritte Ausbildungsjahr auf dem ersten Arbeitsmarkt. Domenique Schramm legte einen Notendurchschnitt von 1,0 hin.

„Unicado“ ist ein Kaufhaus des CJD Frechen

Das „Unicado“ ist ein Kaufhaus im CJD Frechen, hier üben Azubis wie Domenique Schramm (rechts, mit Diplom-Pädagogin Sabine Röhler) auch Kundenberatung. Bild: S. Neumann

60 Prozent bekommen nach Abschluss einen Arbeitsplatz

Die Auszubildende zählt zu der Mehrheit der CJD-Schützlinge, die nach ihrer Ausbildung an dem Berufsbildungswerk in Frechen auf dem ersten Arbeitsmarkt landen. Rund 60 Prozent der Absolventinnen und Absolventen bekommen nach einer ganz normalen Prüfung vor der Kammer und ihrem Ausbildungsabschluss einen Arbeitsplatz, sagt die Statistik – zum Beispiel in der Metallverarbeitung, im Garten- Zierpflanzen- oder Landschaftsbau, als Friseur oder Verkäufer, als Bau- und Metallmaler, als Fachlagerist oder in der Hauswirtschaft. 29 anerkannte Ausbildungsberufe zählen zum Angebot des CJD Frechen. Es richtet sich „vor allem an junge Menschen aus Förderschulen oder Hauptschulen, die aufgrund ihres besonderen Förderbedarfs keinen Ausbildungsplatz auf dem allgemeinen Ausbildungsmarkt finden oder eine aufgenommene Ausbildung nicht durchhalten können“, heißt es in einer Broschüre des CJD Frechen mit dem Titel „Keiner darf verloren gehen“.

Finanziert von der Agentur für Arbeit durchlaufen die Azubis in dem Berufsbildungswerk eine so genannte „Erstausbildung im Rahmen einer beruflichen und sozialen Rehabilitation“ und werden dabei von einem Team von Ausbildern, Lehrern, Sozialpädagogen und Psychologen begleitet und individuell gefördert. Die Berufsschule befindet sich auf dem CJD-Gelände. Ebenso Praxisausbildungsbereiche wie Küche, Gewächshaus, Werkstätten oder das Dienstleistungszentrum mit Friseursalon und Kaufhaus „Unicado“, das für den normalen Publikumsverkehr geöffnet ist. Begleitet wird die theoretische und praktische Ausbildung vor Ort von regelmäßigen „externen“ Praktika in der freien Wirtschaft.

Gewächshaus CJD Frechen

Sorgfältig stellt Azubi Marcel Schneider im Gewächshaus des CJD Frechen Edellieschen aus. Bild: S. Neumann

„Praktisch bin ich super“

Marcel Schneider hat gerade zum zweiten Mal in einem externen Praktikum bei einem Hausmeisterservice überzeugt. Auch er hat gute Chancen, nach Abschluss seiner Ausbildung im Sommer eine Stelle zu bekommen. Das eigene Geld zu verdienen, um die eigene Wohnung bezahlen zu können, das ist das Ziel des 21-jährigen Azubis. Über sein Leben und seine Schulzeit möchte er nicht viel erzählen. Nur soviel, dass ihm das Lernen immer schon schwer fiel. „Aber praktisch bin ich super“, sagt er selbstbewusst. Und auch dieses Selbstwertgefühl hat er im CJD gelernt. Marcel Schneider macht eine dreijährige Ausbildung zum Werker im Gartenbau mit der Fachrichtung Zierpflanzenbau. Der Theorieteil ist in seiner Ausbildung reduziert.

Aber die Namen der Blumen und anderen Pflanzen, die er aufzuziehen lernt, muss er wissen – auch ihre botanischen Bezeichnungen. Darin scheint er einen besonderen Ehrgeiz entwickelt zu haben und ärgert sich ein bisschen, als ihm der Name des Edellieschens spontan nicht einfällt, mit dem er gerade hantiert. Systematisch verschiebt er ´zig dieser „Impatiens Neuguinea“, die im Gewächshaus des CJD in Töpfen gedeihen und für den Verkauf in Gartencenter in der Region gedacht sind. „Ausstellen“ nennt man das Töpferücken, wie Marcel erklärt. Wenn die Pflanzen wachsen, brauchen sie mehr Platz, müssen aber nebeneinander so platziert werden, dass die Ausstellungsfläche optimal, also so platzsparend wie möglich, genutzt wird.

Zu den Tätigkeiten des Gartenbauwerkers zählt außerdem das Eintopfen der gezogenen Pflänzchen, das „Ausputzen“, also das Abzupfen verwelkter oder verfaulter Pflanzenteile oder das Mischen von Substraten, also einer optimal auf die Pflanze abgestimmten Erde. Was Marcel Schneider hier tut, macht ihn sichtlich zufrieden. „Jeder kann froh sein, so eine Ausbildung hier zu bekommen“, resümiert er seine Zeit im CJD Frechen.

Mit „Reisebegleitung“ auf den Arbeitsmarkt

Marcel Schneider habe sich als „zuverlässiger Anpacker“ erwiesen und arbeite sehr sorgfältig, beschreibt Sabine Röhler seine Stärken. Die Diplom-Pädagogin kümmert sich um die Vermittlung der Azubis in den externen Arbeitsmarkt. Sie sieht sich als „Reisebegleiterin“ der Azubis auf ihrem Weg in ihre berufliche Zukunft, trainiert sie für Bewerbungsschreiben und Bewerbungsgespräche, nimmt Kontakt zu potentiellen Arbeitgebern auf und bemüht sich um neue Partnerfirmen des Berufsbildungswerks in der freien Wirtschaft. „Welche Stelle tut dir gut? Wo bleibst du kleben?“ sind ihre Leitfragen bei der Betreuung eines Azubis. „Klebenbleiben“ meint, dass ein Absolvent eine Stelle über eine Probezeit hinaus behält, die er nach seiner Ausbildung am CJD ergattert hat. Oder zu Beginn, wie Domenique Schramm. Sie machte schon ihr erstes und dann alle weiteren externen Praktika in der Zoofachhandlung, in der sie nun auch übernommen wird. Mit ihrem Borderline-Handicap geht sie offen um. „Meine Chefin weiß Bescheid“, erzählt sie. „Und schließlich hat ja jeder Mal einen schlechten Tag.“ Wenn sie zu unruhig oder nervös wird, darf sie auch mal 10 Minuten Auszeit nehmen. „Und wenn mich ein Hund begrüßt, komme ich runter“, erzählt die Verkäuferin von ihrer Arbeit mit den Tieren. „Ich hab mir irgendwie eine Stelle ausgesucht, die mir gut tut.“

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