Konzept für Gewerbeflächen in Frechen – Flächenversiegelung contra Klimaschutz

Bald Gewerbefläche zwischen Krankenhaussiedlung und A4

Bis auf einen breiten Streifen vor den ersten Häusern von Buschbell (rechts nicht im Bild) soll die Ackerfläche zwischen Krankenhausstraße, Bonnstraße und Autobahn 4 als Gewerbegebiet entwickelt werden.
Foto: Susanne Neumann

Eben noch hatte der Stadtrat mehrheitlich in einer eigens formulierten Erklärung gelobt, dass die Stadt Frechen „ab sofort“ einen wirksamen Klimaschutz vor Ort unterstützen werde. Da stritt die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/ Die Grünen, Miriam Erbacher, schon wieder allein für den Klimaschutz. Der Rat hatte über ein Gewerbeflächenkonzept für Frechen zu entscheiden, das unter anderem ein neues Gewerbegebiet auf dem Stück Ackerland zwischen Krankenhausstraße, Bonnstraße und der Autobahn 4 vorsieht. Die Grünen lehnen das vor allem aus Klimaschutzgründen ab und stimmten deswegen gegen das Konzept. „Wir wollen keine neuen Flächen versiegeln“, erklärte Miriam Erbacher. Jede neue Versiegelung verschlechtere das Stadtklima und verstärke den Klimawandel. In Frechen gebe es bereits ausreichend Gewerbeflächen – wenn sie nur besser ausgenutzt, bzw. „verdichtet“ und brach liegende Flächen neu genutzt würden. „So können wir den Strukturwandel auf den bestehenden Gewerbeflächen umsetzen und gleichzeitig die Umwelt schonen“, unterstreicht die grüne Fraktionsvorsitzende in einer nachgereichten Presseerklärung.

Breite Zustimmung zur Flächenversiegelung

Die Mitglieder der anderen Fraktionen mochten ihrer Argumentation jedoch nicht folgen. Allein der SPD-Stadtverordnete Kai Uwe Tietz, der für die Anwohnerschaft seines Wahlkreises in der Krankenhaussiedlung eine noch höhere Verkehrsbelastung befürchtet, enthielt sich der Stimme.* Die anderen Mitglieder seiner Fraktion stimmten wie die von CDU, FDP, der Perspektive für Frechen und der Linken für das Gewerbefächenkonzept.

*Als danach die Änderung des Flächennutzungsplans „Gewerbefläche Krankenhausstraße/ Bonnstraße / Uesdorfer Straße“ sowie die Aufstellung des entsprechenden Bebauungsplans zu beschließen war, stimmte der SPD-Mann wie die Grünen dagegen. Uwe Tietz: „Im Interesse der Anwohnerschaft konnte ich als direkt gewählter Stadtverordneter nur mit Nein stimmen.“

Alle Gewerbeflächen in privater Hand

Aufgrund des prognostizierten Flächenbedarfs sei es geradezu „fahrlässig“, keine neuen Gewerbeflächen auszuweisen, nahm der Fraktionsvorsitzende der SPD, Hans Günter Eilenberger, in der Ratssitzung zu den Einwänden der Grünen Stellung. „Sie wissen genau, dass die Stadt keinen einzigen Krümel Gewerbegebiet mehr hat. Wenn ein Unternehmen kommt und sagt, wir möchten hier was machen, können wir keine Flächen anbieten.“ Wie Stadtsprecher Thorsten Friedmann auf Anfrage bestätigt, besitzt die Stadt aktuell selber keine eigenen Gewerbeimmobilien und –flächen, die sie Unternehmen ihrer Wahl anbieten könnte. Daran ändert aber auch die Ausweisung der Ackerfläche zwischen Krankenhausstraße und A4 als Gewerbefläche nichts, denn auch dieses Gebiet ist in der Hand eines privaten Investors. Die Stadt kann nur über die Bauleitplanung (Aufstellung von Flächennutzungsplan und Bebauungsplänen) Einfluss darauf nehmen, welche Unternehmen sich wo ansiedeln. Stadtsprecher Thorsten Friedmann ergänzt dazu: „Im Rahmen der bauleitplanerischen Entwicklung eines Gewerbegebietes fließen die Kategorien und Kriterien (hier aus dem Gewerbeflächenkonzept, A.d.R.) natürlich in einen städtebaulichen Vertrag zwischen Stadt und Entwickler ein. So ist der städtische Einfluss auf die Vermarktung doch etwas größer, als nur ’stadtplanerisch‘ miteinander zu reden.“

Fläche allein nützt nichts

Die Gutachter der Stadt- und Regionalplanung Dr. Jansen GmbH, die das Gewerbeflächenkonzept im Auftrag der Stadt erarbeitet haben, kommen bis zum Jahr 2040 – also etwa bis in jene Zeit, in der der Braunkohleausstieg und der damit einhergehende Strukturwandel im Rheinischen Revier vollzogen sein soll – auf einen zusätzlichen Flächenbedarf von rund 70 Hektar. Dabei stellen sie in ihrem Gutachten ausführlich dar, dass der tatsächliche Flächenbedarf nicht zuverlässig zu berechnen ist: „Im Grundsatz ist darauf hinzuweisen, dass die Berechnungsmethoden zur Ermittlung des Bedarfs an Gewerbe- und Industrieflächen mit Unsicherheiten behaftet sind“, heißt es im Kapitel „Quantitativer Standort- und Flächenbedarf“. Die verschiedenen Berechnungsmethoden kämen zu jeweils sehr unterschiedlichen Ergebnissen.

Immer basiere jede Bedarfsberechnungen auf Basis vergangener Entwicklungen und schreibe diese fort. Erschwerend kommt hinzu, dass unterschiedliche Unternehmen auch ganz unterschiedliche Ansprüche an Standort und Fläche stellen. „Zum Beispiel nutzt es einer Kommune oder Region wenig, wenn das Gesamtmengengerüst an Flächen rein rechnerisch ausreichend ist, diese Flächen aber nicht nachfrageorientiert das richtige Profil oder die richtigen Grundstücksgrößen aufweisen“, wird im Konzeptpapier erläutert.

Zu viele flächenintensive Unternehmen

Folgerichtig zweifeln die Frechener Grünen die zwingende Notwendigkeit, neue Flächen auszuweisen, an: „Nicht zuletzt sehen wir die Ursachen für den behaupteten Flächenbedarf in der bisherigen Ansiedlungspolitik der Stadt Frechen, die zur Häufung von flächenintensivem Gewerbe geführt hat“, heißt es in der bereits erwähnten Pressemitteilung. „Was wir nicht mehr brauchen, sind flächenintensive Unternehmen, die nur wenige Arbeitsplätze schaffen“, konkretisiert Miriam Erbacher den Standpunkt der Grünen auf Nachfrage.

Vielmehr müsse man sich auf die gezielte Ansiedlung von innovativen, technologie-und wissensbasierten Unternehmen konzentrieren, von denen es in Frechen zu wenige gebe. Dieser Kategorie von Unternehmen wird in zwei Studien des Instituts für Wirtschaft in Köln, „REload“ und „Frechen digital und kreativ“*, aufgrund der Nähe zu einer Vielzahl von Forschungseinrichtungen und Hochschulen in der Region ein starkes Entwicklungspotential attestiert. Das Frechener Gewerbeflächenkonzept greift diesen Befund auch auf und siedelt Unternehmen der entsprechenden Sparten unter anderem auf zwei „Innovationsachsen“ an (siehe Kasten). Das ehemalige Gelände der Steinzeug Keramo GmbH an der Bonnstraße ist dem Gewerbekonzept nach Bestandteil der „Innovationsachse Frechen“. Die Grünen unterstützen diese Idee und wollen auch vor diesem Hintegrund die Linie 7 ertüchtigen.

Verdichten statt Parken

Auch für andere Sparten sei auf bestehenden Flächen hinreichend Platz, erklären die Grünen. So biete das Gewerbegebiet Europark noch viel Potential zur Verdichtung. Dort werde viel Raum als Parkraum verschwendet. Miriam Erbacher: „Da werden große Flächen unter Wert genutzt!“ „Natürlich ist es billiger und leichter immer neue Ackerböden zu versiegeln“, ergänzt sie. „Aber so kommt man eben nicht dahin, dass die Eigentümer und Pächter ihre Grundstücke besser ausnutzen.“ „Die Sanierung verlassener Flächen möge teuer sein“, so die Grünen, „aber dafür nachhaltiger als der Verbrauch von wertvollem Ackerland.“

* Mit dem Strukturwandel im Rheinischen Revier beschäftigen sich zwei Studien, die im Gewerbeflächenkonzept der Stadt Frechen Eingang fanden: die im Auftrag der Wirtschaftsförderung des Rhein-Erft-Kreises vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln erarbeitete Studie „REload – Zukunft Rhein-Erft-Kreis 2013“, sowie die von der Stadt Frechen beauftragte IW-Studie „Frechen digital und kreativ“.

 

Gewerbeflächekonzept Frechen, Plan Büro Dr. Jansen

Bestehende (grau) und neu auszuweisende (grün) Gewerbeflächen in Frechen. Quelle: Stadt Frechen – Gewerbeflächenkonzept, S. 35 Abb. „Gewerbliche Bauflächen – Bestand, Transformationsräume, Neuausweisungen, Standortprofile“

Das Gewerbeflächenkonzept für Frechen

Das Gewerbeflächenkonzept wurde von der Kölner Stadt- und Regionalplanung Dr. Jansen GmbH im Auftrag der Stadt Frechen erarbeitet. Es bezieht zum einen den (ebenfalls vom Büro Dr. Jansen bearbeiteten) Vorentwurf des neu aufzustellenden Flächennutzungsplans der Stadt Frechen ein, zum anderen den Regionalplan für den Regierungsbezirk Köln, der ebenfalls neu aufgestellt wird. Regionalplan und Flächennutzungsplan müssen dem Strukturwandel Rechnung tragen, der im Rheinischen Revier mit dem Ausstieg aus der Braunkohleverstromung einhergeht. Das Konzept ist nicht rechtsverbindlich und wird deshalb als „informelles Entwicklungskonzept“ bezeichnet.

Das Papier unterscheidet drei Kategorien von Unternehmensstandorten, die den bestehenden und neu auszuweisenden Gewerbeflächen zugeordnet werden: Kategorie A bezeichnet Standorte für „Technologie- und wissensbasierte Tätigkeiten, Dienstleistung und ggf. hochspezialisierte Produktion technologischer Bauteile“: Forschungs- und Entwicklungslabore, technologische Kleinproduktion, Computer-Service und Software-Entwicklung, Biotechnologie, Unternehmensberatung, PR, Kommunikation, dazu Gründerzentren und Co-Working-Spaces.

Gewerbeflächen der Kategorie B sind in erster Linie Standorte für Handwerk und kleinere bis mittlere Gewerbebetriebe im klassischen produzierenden und verarbeitenden Sektor sowie im unternehmensbezogenen Dienstleistungssektor: kleinere Logistik- und Fuhrunternehmen, Baumaschinenverleih, größere Cateringfirmen, Gebäude-Reinigungsdienste etc..

Zur Kategorie C gehören Standorte mit emittierenden Industrie- und Gewerbebetriebe, Verarbeitung und Produktion sowie Logistik und Konfektionierung.Die Standortprofile B und C macht das Konzept im Europark, in den westlich angrenzenden Gewerbe-gebieten im Umfeld der Alfred-Nobel-Straße (B), in Grefrath (C) sowie am Wachtberg (C) aus.

Das neu als Gewerbefläche im Flächennutzungsplan zu verankernde Stück Land zwischen Krankenhausstraße, Bonnstraße und Autobahn 4 (grün dargestellt) soll dem Konzeptpapier nach der Standortsicherung des Europarks dienen: Den dort wirtschaftenden Unternehmen werde so Verlagerungs- oder Auslagerungspotenzial geboten. Der Stadtrat beschloss, die Fläche zwischen A- und B-Kategorie aufzuteilen.

Das Gewerbeflächenkonzept sieht noch ein weiteres bislang unverbautes Gebiet als Gewerbefläche vor, nämlich den „Bachemer Busch“. Das etwa 40 Hektar große bewaldete Gelände wird wegen der Nachbarschaft zur „Brikettfabrik Wachtberg“ (frühere Bezeichnung) in den Verwaltungsvorlagen der Stadt Frechen als „Wachtberg Neu“ bezeichnet. Es ist bereits im Vorentwurf des neu aufzustellenden Flächennutzungsplans als Gewerbegebiet ausgewiesen. Der Rat beschloss am vergangenen Dienstag, im Gewerbeflächenkonzept für die Bereiche ‚Wachtberg‘ und ‚Wachtberg Neu‘ zumindest Störfallbetriebe im Sinne der Seveso-III-Richtlinie auszuschließen.

Langfristig wird das Gebiet jenseits des Neuen Weges als Industriegebiet gehandelt. Aktuell handelt es sich bei dem Wald jedoch um ein Landschaftsschutzgebiet, in dem gar nicht gebaut werden darf.

Unternehmen der Standortkategorie A gibt es in Frechen auch laut Konzeptpapier zu wenige. Zwei so genannte „Innovationsachsen“ sollen das wirtschaftliche, strukturelle Potential dieser Sparten bündeln. Das Gewerbeflächenkonzept macht eine Innovationsachsen in Königsdorf aus: mit dem Gewerbe- und Technologiepark und dem Gewerbecenter Zur Mühle in Verbindung mit dem Neubaugebiet am Mühlenweg (grün), das als gemischte Baufläche, also für Wohnen und Handel empfohlen wird.

Auch für die Gewerbefläche an der Dürener Straße (blau) mit zahlreichen Handelsunternehmen wie Hit, Aldi oder A.T.U wird Kategorie A empfohlen, zuzüglich Wohnbereich. Das entspricht auch den Plänen für dieses Viertel im Einzelhandelskonzept der Stadt.

Die zweite Innovationsachse bildet im Gewerbeflächenkonzept das ehemalige, elf Hektar große Gelände der Steinzeug Keramo GmbH in Verbindung mit der in Bau befindlichen Fachhochschule des Mittelstandes. Der Standort an Bonnstraße und Kölner Straße sei besonders geeignet, für Frechen ein neues wirtschaftliches Profil zu entwickeln und der Stadt „ein attraktives ‚Gesicht'“ zu verleihen.

 

2 Kommentare

  • Lothar Fillinger

    Bei einem Spaziergang in Richtung Bachem, fiel mir das Grundstück auf, als ich die Holzstraße B264 links abgebogen bin, auf der rechten Seite.
    Es handelt sich, so glaube ich um ein verlassenes Militärgebiet der Belgier mit verlassenen, zerfallenen Gebäuden auf rekultiviertem Boden.
    Warum denkt man nicht bei der Suche nach neuem Gewerbegebiet über solch leerstehende schon versigelte Flächen nach, die ebenfalls sehr verkehrsgünstig liegen. Überhaupt stellt sich mir die Frage, ob es ökologisch nicht viel sinnvoller ist, rekultiviertes Land zu nutzen, als wertvollen humusreichen Ackerboden.

  • Katrin Lehmann

    Wann werden für die schon in Frechen abgeholzten Flächen, Ausgleichsflächen für die Wiederaufforstung angeboten. Der Lärmpegel und hat in den letzten 20 Jahren eh schon extrem zugenommen, abgesehen vom Wald als natürliche Klimaanlage. Was möchten denn die kommenden Generationen trinken, wenn die Flächen nicht mehr zur Grundwasserbildung zur Verfügung stehen und „alles den Bach heruntergeht“. Wenn mich nicht alles täuscht sind wir immerhin Wasserschutzzone III in Frechen.

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