„Wir brauchen deutlich mehr Wohnungen, die bezahlbar sind.“

Achim Leirich, Geschäftsführer der GWG Rhein-Erft Wohnungsgesellschaft, in Hürth

Achim Leirich ist Geschäftsführer der GWG Wohnungsgesellschaft Rhein-Erft. Zum Interview traf sich Frechenschau.de-Redakteurin Susanne Neumann mit ihm in den Geschäftsräumen der GWG Rhein-Erft in Hürth.
Foto: S. Neumann

 

Auf einem knapp 5000 Quadratmeter großem Grundstück an der Toni-Ooms-Straße, Ecke Alfred Nobel-Straße plant die GWG Wohnungsgesellschaft Rhein-Erft rund 80 Wohnungen zu bauen. Die Hälfte der Wohnungen soll öffentlich gefördert werden, wodurch in dem Gebäudekomplex rund 40 Sozialwohnungen entstehen können. Eine fünfzügige Kindertagesstätte und eine Tiefgarage mit rund 90 Stellplätzen sind in dem Neubau ebenfalls geplant. Bei der letzten Ratssitzung des Jahres am 12. Dezember stimmte der Rat der Stadt Frechen dem Verkauf des städtischen Grundstücks an die GWG Rhein-Erft zu. Achim Leirich ist Geschäftsführer der GWG Rhein-Erft und berichtete Anfang Dezember im Planungsausschuss der Stadt Frechen über bezahlbaren Wohnraum in Frechen, über den aktuellen Bestand, Pläne und Möglichkeiten. Susanne Neumann sprach darüber mit ihm im Interview für Frechenschau.de.

Die GWG Rhein-Erft

Die GWG Wohnungsgesellschaft mbH Rhein-Erft ist ein kommunales Wohnungsunternehmen mit Sitz in Hürth. Gesellschafter der GWG sind die Städte Frechen, Pulheim, Köln, die Stadtwerke Hürth, die Stadtwerke Wesseling sowie die Kreissparkasse Köln. In Frechen zählt die GWG neben der LEG und der Wolf’schen Wohnungsbau zu den drei großen Wohnungsanbietern im sozialen Bereich. Sie ist Eigentümerin von aktuell 379 Wohnungen in Frechen, darunter sowohl freifinanzierte als auch öffentlich geförderte Wohnungen, die als Sozialwohnungen nur mit einem Wohnberechtigungsschein bezogen werden können. Daneben verwaltet die GWG Rhein-Erft in Frechen 373 Wohnungen anderer Eigentümer, darunter rund 300 Wohnungen, die der Stadt Frechen gehören.

Frechenschau.de: Herr Leirich, an der Toni-Ooms-Straße, Ecke Alfred-Nobel-Straße will die GWG Rhein-Erft einen Gebäudekomplex mit rund 80 Wohnungen errichten, die Hälfte davon freifinanziert, die andere Hälfte mit öffentlicher Förderung, um neue Sozialwohnungen einzurichten. Wie funktioniert das mit der öffentlichen Förderung?

Achim Leirich: Die öffentliche Förderung kommt durch das Land NRW: Über die NRW-Bank gibt es verbilligte Darlehen und auch Tilgungsnachlässe, so dass man nicht den gesamten Darlehnsbetrag zurückzahlen muss, sondern etwas weniger. Das ist die reine öffentliche Förderung. Die Förderung, die uns die Stadt Frechen – wenn man so will – entgegenbringt, ist, dass sie das Grundstück an uns verkauft, mit einem leichten Nachlass – so will ich das mal nennen – aber mit der Maßgabe, dass wir 50 Prozent der Wohnungen gefördert bauen. Das würde ein in Anführungszeichen ‚normaler‘ Bauträger wahrscheinlich nicht tun. Der würde bei einem normalen Kaufpreis wahrscheinlich nur freifinanzierten Wohnraum und Eigentumswohnungen bauen, weil es sich eher rentiert, als geförderter Wohnraum.

Wie hoch werden die Mieten für die neuen Wohnungen an der Toni-Ooms-Straße sein?

Die Miete für geförderten Wohnraum steht fest, das sind in Frechen zur Zeit 5,75 Euro pro Quadratmeter. Im freifinanzierten Bereich bewegen wir uns mit Stand heute zwischen 10 Euro und 10,50 Euro pro Quadratmeter. Wenn wir in zwei oder drei Jahren mit dem Projekt fertig sind, könnten sich beide Beträge nach oben ändern. Im freifinanzierten Bereich haben wir Baukostensteigerungen im Jahr zwischen drei und dreieinhalb Prozent.

10 bis 10,50 Euro pro Quadratmeter ist also die aktuelle ortsübliche Vergleichsmiete in Frechen?

Das ist das, was wir am Markt für freifinanzierte Wohnungen sehen, was wir aber auch brauchen, um die Wirtschaftlichkeit insgesamt darzustellen.

Es gibt aber auch noch teurerer Wohnungen in Frechen ….

Ja, welche mit 11 Euro, 11,50 Euro Quadratmeterpreis, die gibt es sicherlich auch. Aber das sehe ich nicht als unser Segment an dem Standort.

Haben Sie als GWG Rhein-Erft irgendeine eine Vorgabe, dass auch Ihre freifinanzierten Wohnungen bezahlbar sein müssen?

Also „bezahlbar“ ist natürlich immer schön, aber sie finden auch immer jemanden, der es zahlen kann. Für kleinere bis mittlere Einkommen sind 10,50 Euro natürlich auch schon ein Wort. Wir versuchen die Mieten hauptsächlich über intelligente Grundrisse, die nicht zu viel Wohnfläche insgesamt haben, zu reduzieren. Das heißt, eine Dreizimmerwohnung muss nicht 75 oder 80 Quadratmeter haben, die kann auch mit 63, 64 oder 68 Quadratmetern auskommen. Wir müssen einfach ein bisschen kleiner bauen, nicht von der Zimmeranzahl her, sondern nur vom Flächenverbrauch her.

Ist das ein Trend, dass man die Wohnungen etwas kleiner baut, um sie unterm Strich bezahlbarer zu machen?

Definitiv, zumindest im Bereich der Mietwohnungen in Ballungsgebieten, wo auch irgendwann die Schicht derer, die 12, 13, 14 Euro zahlen können, nicht mehr wächst. Da oben wird die Luft dünner, das sieht man auch daran, dass der Anstieg der Mieten im oberen Bereich deutlich langsamer ist, als er das die letzten Jahre war. Es fehlt dort mittlerweile an Menschen, die die hohen Mieten in der Masse bezahlen können. Ich finde auch, 14 Euro fühlt sich nicht gut an für ´ne Wohnung.

Nach Angaben der Stadt Frechen sind acht Prozent der rund 23.000 Wohnungen, die in Frechen zur Verfügung stünden, öffentlich geförderter Wohnraum. Reicht das aus?

Wenn man sich die reine Zahl anschaut, klingt das nach sehr viel. Aber nur den Anteil von öffentlich geförderten Wohnungen zu betrachten, ist nicht zielführend. Wir brauchen deutlich mehr Wohnungen, die bezahlbar sind. Was uns fehlt, sind neben den öffentlich geförderten Mietwohnungen auch die, die sich so zwischen 6 Euro und 8 Euro bis 8,50 Euro pro Quadratmeter bewegen. Dieses Preissegment wird zum Teil noch genährt durch Wohnungen, die nach einem festgelegten Zeitraum aus der Mietpreisbindung laufen, also nicht mehr öffentlich gefördert sind. Die sind ja deswegen nicht weg. Und nicht jede Wohnung, die aus der Bindung läuft, wird automatisch doppelt so teuer. Wir haben eine Mietpreisbremse, die noch in großen Teilen gilt, das heißt, dass ich als Vermieter bei einer Mieterhöhung nicht mehr als 15 Prozent in drei Jahren erhöhen darf. Der Mietspiegel nennt einen Wert, der maximal erreicht werden darf.

Anm. d. Red: Gemäß der Wohnraumstatistik 2016 führt die Stadt Frechen 1779 öffentlich geförderte Wohneinheiten, darunter – Stand 28. November 2017 – 1211 öffentlich geförderte Mietwohnungen, also Sozialwohnungen. (Zu den „öffentlich geförderten Wohneinheiten“ zählen sowohl Wohneigentum als auch Mietwohnungen.)

Wenn ich das jetzt richtig verstehe, ist auch die GWG nicht dafür da, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, der zwischen sechs und acht Euro liegt.

Doch, aber das können wir nicht. Auch wir unterliegen dem Gebot der Wirtschaftlichkeit. Ich kann ja keine Wohnung bauen, mit der ich Verlust mache. Das heißt, ich baue öffentlich geförderte Wohnungen im unteren Preissegment, um das zu stärken. Und dann bauen wir Wohnungen für 10 Euro, um Geld zu verdienen und damit andere Projekte mit zu subventionieren.

Alpha Forum Frechen

In der modernen Wohnanlage „Alpha Forum“ der Bernd Reiter Gruppe in Frechen werden auch Kaltmieten von über 10,50 Euro pro Quadratmeter abgerufen. Bild: S. Neumann

 

In eine öffentlich geförderte Wohnung darf nur einziehen, wer einen Wohnberechtigungsschein hat, der bis zu festgelegten Einkommensgrenzen von den Kommunen erteilt wird. Wer fragt die geförderten Wohnungen bei Ihnen nach?

Sehr, sehr viele Menschen – 70 Prozent oder 80 Prozent des Bevölkerungsquerschnitts – kommen auch zu uns. Und von denen haben nicht alle einen Wohnberechtigungsschein. Gerade bei uns sehen Sie auch keinen Unterschied zwischen geförderten und freifinanzierten Wohnungen. Sie haben immer die gleichen Fliesen, sie sehen von außen gleich aus. Sie haben vielleicht beim Grundriss ein paar Dinge, die aufgrund der öffentlichen Förderung anders gemacht werden müssen, aber sonst gib es da keinen Unterschied.

Nach Informationen der Stadt Frechen sind 90 Prozent der Menschen, die einen Wohnberechtigungsschein beantragen, Bezieher von Arbeitslosengeld I und II, Rentner, Alleinerziehende und Minijobber …

Wir haben sicherlich einen höheren Anteil von Menschen, die sich auf dem freien Wohnungsmarkt schwerer tun. Alleinerziehende sind so eine Gruppe, vor der viele Vermieter – ich will nicht sagen ‚Angst‘ haben, aber die sich schwer damit tun. Die kommen sicherlich verstärkt zu uns, Rentner kommen verstärkt zu uns, die kleinere Wohnungen suchen. Aber natürlich kommen auch Menschen ohne Arbeitseinkommen zu uns, die irgendeine Art Transferleistung erhalten. Und die hoffen, bei uns eher eine Wohnung zu bekommen, als wenn sie die Zeitung aufschlagen und zu einer Wohnbesichtigung fahren, wo 40 Leute stehen. Und wo sie dann sagen: ‚Da hab ich als Hartz IV –Empfänger keine Chance.‘

Hat die Flüchtlingskrise die Wohnungsnot verschärft?

Am Anfang nicht, aber jetzt schon. Jeder anerkannte Flüchtling ist jemand, der eine Wohnung braucht. Zuerst waren die Menschen, die hier ankamen, ja in städtischen Flüchtlingsunterkünften untergebracht und damit nicht auf dem freien und sozialen Wohnungsmarkt. Aber mit der Anerkennung können Sie selbst Mietverträge unterschreiben.

Nach welchen Kriterien sucht die GWG ihre Mieter aus? Sie müssen ja keinen nehmen …

Nein, wir haben keine Verpflichtung. In der Regel schlägt die Stadt Frechen die Mieter selbst vor, für öffentlich geförderte Wohnungen sowieso, und für ihre Wohnungen, die wir verwalten, auch. Für die Wohnungen, die wir selbst belegen, spielt erst einmal eine Rolle, wer überhaupt ins Haus passt. Sie können sehr schnell den Ruf eines Hauses ruinieren, weil da Menschen wohnen, die zusammen einfach nicht leben können. Manchmal haben sie Gebäude, wo schon drei, vier schwierige Mietparteien wohnen, da noch jemanden einziehen zu lassen, der schwierig ist, macht keinen Sinn. In ein Haus, wo schon zehn Familien wohnen, kann es Sinn machen, noch die elfte Familie einziehen zu lassen. Wenn da jedoch noch fünf Rentner wohnen, sagt man vielleicht, ‚nee, jetzt nicht noch eine Familie‘. Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe, und der versuchen wir gerecht zu werden.

Mietshaus an der Burgstraße

Bezahlbarer Wohnraum in Frechen – hier an der Burgstraße – ist knapp. Bild: S. Neumann

Und wie lang sind Ihre Wartelisten?

Wir haben direkt keine Wartelisten mehr, weil wir sonst eine Liste hätten von 10.000 Menschen und Haushalten. Das macht bei 200 Wohnungen, die im Jahr zur Verfügung stehen, keinen Sinn mehr. Wir haben Listen, auf denen Leute stehen, die wir nicht direkt versorgen können und denen wir sagen: ‚Wir suchen etwas für Sie und dann melden wir uns.‘ Aber Wartelisten, wo Nummer Eins draufsteht und Nummer 10.000, macht kaum ein Wohnungsunternehmen.

Aber wenn jemand zu Ihnen kommt und sagt: ‚Denken Sie bitte an mich!‘, dann tun Sie das auch?

Ja, das tun wir. Wenn wir aber selbst schon 450 in der Schublade liegen haben, die sich auf eine Wohnung im Jahr bewerben, die frei wird, dann sagen wir Ihnen auch: ‚Es wird sehr, sehr schwer, suchen Sie bitte auch woanders.‘ Mittlerweile bekommen wir auch nur noch wenige Wohnungen zurück, es werden deutlich weniger Mietverhältnisse gekündigt als früher.

Was ein Zeichen dafür ist …..

… was immer ein Zeichen dafür ist, dass der Wohnungsmarkt angespannt ist.

Die Stadtverwaltung hat letztes Jahr im April im Ausschuss für Stadtentwicklung und Bauleitplanung potentielle Flächen in Frechen aufgezeigt, auf denen man noch größere Gebäude mit mehreren Geschossen und Wohnungen bauen könnte, um bezahlbaren und sozialen Wohnraum zu schaffen. Viele Flächen blieben danach in Frechen nicht übrig. Größere Flächen stünden nur noch im Stadtteil Grube Carl zur Verfügung. Und auch im Bereich Alfred-Nobel/Toni-Ooms-Straße, wo die GWG ja nun auch bauen wird. Die Flächen in Grube Carl müssen noch erschlossen und Planungsrecht geschaffen werden. Wo sehen Sie noch Potentiale für neuen Wohnraum in Frechen?

Außer nach den großen Flächen suchen wir immer auch nach kleineren, die man nur mal entwickeln muss. Ganz wichtig ist Mut zu haben, was die Höhe von Häusern angeht. Manchmal ist das dritte und vierte Geschoss gar nicht so schlecht. Dann schaffe ich nämlich mehr Wohnfläche ohne mehr Flächenverbrauch. Wir versiegeln ja sonst auch alles.

In ihrem Bericht zum bezahlbaren Wohnraum in Frechen, den Sie Anfang Dezember im Sozialausschuss vorgetragen haben, schwärmten Sie von einem potentiellen Neubaugebiet am Rosmarweg, kommt da was?

Ja. Nicht morgen, aber da kommt was. Das ist so eine wunderbare, tolle Natur da, da kann man so viel erreichen. Da würde ich gerne als GWG Rhein-Erft mithelfen.

Und wenn einzelne Gebäude im Weg stehen?

Ich bin jemand, der sagt, wenn man da einmal eine Möglichkeit hat, dann muss man auch darüber nachdenken, bestehende Gebäude abzureißen und dafür deutlich mehr Wohnraum zu schaffen. Ob das jetzt am Rosmarweg der Fall ist, das weiß ich nicht, aber es gibt immer wieder Projekte, die an Einzelpersonen zumindest zeitlich scheitern.

Weil deren Eigentum geschützt ist.

Wir haben zwar Enteignungsmöglichkeiten in Deutschland, die sind aber recht beschränkt, und kommen nur in Betracht, wenn es ums öffentliche Interesse geht. Dazu gehört das Thema Wohnen nicht. Dabei geht es ja darum, dass wir ein Grundrecht haben auf Wohnen, zumindest auf ein Dach über dem Kopf. Wenn sich einzelne Menschen aus reinem Egoismus so verhalten, dass eine ganze Gruppe von Menschen dann nicht zu ihrem Wohnrecht kommt, das geht mir nicht in den Kopf. Wenn jemand so isoliert sein will, dann soll er zum Beispiel in die Wüste ziehen.…  

1 Kommentar

  • Jürgen Ulbricht

    Die Aussage, dass ein Preisnachlass beim Grundstückserwerb von fast 20 % als „leichter“ Nachlass bezeichnet wird, lässt erkennen, dass hier zu sehr gewinnorientiert gedacht wird und
    viel zu wenig gemeinnützig.

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