„Axel gehörte irgendwie zu Königsdorf.“

Axel Kurth aus Königsdorf im Jahr 2017

Der langjährige Vorsitzende der Königsdorfer Dorfgemeinschaft, Axel Kurth, ist am 1. Februar gestorben. Bild: Josef Mörsch

 

Axel Kurth war ganz der, als den ich ihn seit Jahrzehnten kannte, als ich ihn im Eingangsraum der Praxis unserer gemeinsamen Hausärztin traf. Die Nebenwirkungen der Strahlenbehandlung seien ziemlich unangenehm, antwortete er auf meine Frage nach seinem Befinden, aber da müsse er durch, das müsse sein, damit es wieder aufwärts gehe. Ich wünschte ihm das Allerbeste dafür, und wenige Sätze später waren wir bei einem Thema, das uns ganz besonders miteinander verband: unsere Lieblings-Band „Pink Floyd“. Ich versprach Axel, ihm die neueste CD von deren Gitarristen David Gilmour zu brennen und lud ihn ein, im Herbst mit dabei zu sein, wenn ich mit einer Busladung voller Gleichgesinnter zur retrospektiven Ausstellung „Their Mortal Remains“ nach Dortmund fahren würde. Axel war sehr angetan von dem Plan und berichtete mir voller Begeisterung von dem Vinyl-Doppel-Live-Album der Band „Deep Purple“, das er von seinen Kindern zu Weihnachten geschenkt bekommen hatte. Dann unterbrach eine Mitarbeiterin der Arztpraxis uns vorsichtig mit der berechtigten Frage, ob wir unser Gespräch vielleicht im Wartezimmer fortsetzen könnten. Da Axel aber bemerkte, dass ich gerade auf dem Weg hinaus und er anders herum auf dem herein war, verabschiedeten wir uns. Sinngemäß hieß es: Wir melden uns gegenseitig und setzen den Austausch über Musik und anderes fort.

Dazu kam es aber leider nicht mehr, es blieb unsere letzte Begegnung. Das volle Ausmaß seiner Krankheit zeigte sich erst kurz danach, dann ging alles rasend schnell. Mit sich, seinen Lieben und seinem Umfeld im Reinen ist Axel am 1. Februar 2018 in der Uniklinik Köln gestorben. Angesichts seines Todes stehe ich fassungslos davor, dass nun etwas fehlt: eine menschliche Konstante im Leben, die er immer für mich war.

Auf eine schwer zu beschreibende Weise bestand seit Kindheitstagen ein Urvertrauen zu ihm. Axel gehörte irgendwie zu Königsdorf. Mit seinem Engagement für die örtliche Geschichtsschreibung und Brauchtumspflege wurde er für mich auch zu einem menschlichen Teil meiner Heimat, die mir immer wichtig war und ist. Auch in anderen Dingen stimmten wir überein. Verschiedene Lebenswege führten dazu, dass wir uns im Erwachsenenalter gar nicht mehr so oft begegnet sind, was ich jetzt sehr bedauere.

Schon früh Einsatz für andere

Kennengelernt habe ich Axel in den sechziger Jahren, als der Austausch zwischen Kindern und Jugendlichen noch nicht auf digitalem Wege stattfand, sondern dort, wo es dem früheren Fußball-Bundestrainer Sepp Herberger zufolge „wichtich is´“, nämlich „auf´m Platz.“ Damals gab es zwei Plätze in Königsdorf, die für fußballbegeisterte Jungs (die Mädels schauten damals den Jungs nur zu, wobei manche Verbindung entstand) wichtig waren: die Wiese, neben der ich wohnte, worauf sich heute der Markt- bzw. Parkplatz befindet, und die sogannte „Turnhallenwiese“ hinter der alten Turnhalle an der Dechant-Hansen-Allee. Dort traf sich die sportliche Dorfjugend zum Kicken. Axel gehörte dabei oft zur Startaufstellung.

Er war anderthalb Jahre älter als ich, was im kindlichen und jugendlichen Alter ja eine Menge ausmachen kann. Damals herrschten „auf´m Platz“ und überhaupt draußen, auf der Straße, wo sich weite Teile unseres Lebens ganz analog abspielten, noch andere Gesetze. Da bedeuteten die körperlichen Möglichkeiten, also wer wie „stark“ war, im wahrsten Sinne des Wortes Durchsetzungskraft, was keineswegs immer fair und gerecht gehandhabt wurde. Axel habe ich mit Blick auf diese Zeit als jemanden in Erinnerung, der zwar präsent war, aber nicht nach Dominanz strebte, gleichwohl ausgleichend und schlichtend wirkte, dabei aber durchaus eine eigene Meinung oder eine Seite vertrat. Und als einen, der sich nötigenfalls für Schwächere einsetzte.

Das hat mein Bild von ihm geprägt: Er war auch später in manchen Zusammenhängen ein Skeptiker, haderte auch mit manchen Dingen. Doch das niemals grundlos. Ob seine Zweifel die Arbeitswelt oder die Politik – weltweit oder vor Ort – betrafen, bei Axel mischte sich gebotene Ernsthaftigkeit immer mit dem Streben nach Freude am Leben für sich und andere. Einerseits hatte er lange Zeit täglich immense Wege zu seinem Arbeitsplatz zurückzulegen, andererseits schuftete er mit seinen Freunden von der Dorfgemeinschaft bis zur Erschöpfung, wenn es darum ging, das Waldfest Jahr für Jahr weiter als Ereignis zu gestalten, das aus Königsdorf nicht mehr wegzudenken ist.

Eine Begebenheit aus jüngerer Zeit beschreibt das sehr gut. Wieder einmal trafen wir uns im Wartezimmer unserer Ärztin, wobei ich nur zu einer Routineuntersuchung dort war und es bei Axel um Dringlicheres ging. Dabei kamen wir auf die Verkehrssituation auf der Franz-Lenders-Straße, an der Axel wohnte, zu sprechen. Diese belastete die Anlieger inzwischen sehr. Doch kurz zuvor war die Straße wegen einer Baumaßnahme für kurze Zeit gesperrt worden. Noch am ersten Tag organisierten Axel und ein paar Nachbarn ein Grillfest – mitten auf der Straße. Das hätte, wie er mir in seiner typischen Mischung aus Hochdeutsch und rheinischem Dialekt sagte, „esu rischtisch jood jetan“. Ich fand diese spontane Aktion in unserer Nachbarschaft klasse.

Verdienste um die örtliche Geschichtsschreibung

Dabei waren Axel und ich nicht nur Nachbarn, sondern im weiteren Sinne auch Kollegen. Was nämlich wären Zeitungsjournalisten und Buchautoren wie ich denn bisher ohne Schriftsetzer gewesen? Und auch, wenn sich deren Berufsbild rasend schnell verändert, so werden sie, auch wenn sie dann anders genannt werden, weiterhin gebraucht werden. Viele Jahre lang hat Axel die gedruckte Version des Halbjahres-Blättchens „Königsdörfchen“ der Dorfgemeinschaft technisch umgesetzt und somit manche Information aus Vergangenheit und Gegenwart von Königsdorf verbreitet. Das im weitesten Sinne, denn ausgetragen hat er das „Königsdörfchen“ bei Bedarf auch noch.

Ohnedies hat er sich als langjähriges Vorstandsmitglied und in den vergangenen zehn Jahren als Vorsitzender der Dorfgemeinschaft „St. Magdalena 1948 Königsdorf“ sehr um die Geschichtsschreibung und Brauchtumspflege des Frechener Ortsteils, der vor 1975 zur Gemeinde Lövenich gehörte, verdient gemacht. So war er auch einer von drei Herausgebern des 2011 erschienen und beinahe 900 Seiten starken Buches „Königsdorf im Rheinland – Beiträge zu seiner Geschichte“. Die Maigesellschaft, die zwischenzeitlich um ihre Existenz gekämpft hat, hat er sehr unterstützt. Auch seinen Einsatz für den Erhalt der im Volksmund „Himmelsleiter“ genannten langen Treppe im Königsdorfer Wald, die hinauf zu einem Aussichtspunkt auf der Glessener Höhe führt, werden Wanderer und Leistungssportler ihm nicht vergessen. Wie oft wohl bin ich sie zu meinem sportlichsten Zeiten selbst hinaufgehechelt…

Sein sportlicher Geist wird bleiben

Axel selbst spielte aktiv Handball, anfangs sogar noch auf dem Großfeld. Gerne erholte er sich während Wanderurlauben mit seiner Familie in den Alpen. Auch Mountainbike fuhr er gerne. Spiele des 1. FC Köln besuchte er durchaus auch auswärts und in dessen Zweitligazeiten, er war eben treu. Ganz besonders aber gehörte sein sportliches Herz den „Kölner Haien“, dem Eishockeyclub KEC. Und natürlich der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft. Als diese, während ich die Informationen für diesen Nachruf zusammentrug, zuerst ins olympische Viertel- und dann Halbfinale vordrang, schüttelte ich den Kopf und dachte: ‚Dass Axel das nicht miterlebt…!’ Als sie auch noch sensationell das Finale erreicht hatte, sagte seine Frau Kerstin, selbst als Handball-Jugendtrainerin des TuS Blau-Weiß Königsdorf eine sehr sportliche und engagierte Frau, zu mir: „Da hat der Axel von seiner Wolke aus die Fäden gezogen.“

Genau. So sehr er an vielen Stellen fehlen wird, so gegenwärtig wird sein Geist bei allen sein, die ihn kannten. Kerstin, die mit Axel die beiden Kinder Julia und Marius großgezogen hat, sagte: „Axel hat unserer Familie Halt und Struktur gegeben.“ – Welch schönes Kompliment!

Es trifft auf ihn auch in anderen Bereichen zu. Axel preschte nicht nach vorne, peilte lieber erst einmal die Lage und versuchte, den Überblick zu behalten, seinen Teil dazu beizutragen, das jeweilige Schiff auch in schwierigen Gewässern auf Kurs zu halten. Darin war er toll und absolut verlässlich. Das werde ich nie vergessen.

Natürlich werde ich auch weiterhin unserer gemeinsamen musikalischen Leidenschaft frönen und immer dann besonders an Dich denken, lieber Axel, wenn ich hören werde: „… how I wish you were here…“ – Deine Spuren bleiben.

2 Kommentare

  • Helmut Faßbender

    Lieber Jürgen,
    ich glaube, dass hätte man nicht schöner schreiben können.
    Er war mir 40 Jahre der beste Freund, mal näher und auch mal ferner.

    Die Erinnerung wird für immer bleiben.

    Vielen Dank dafür.

  • Bollig Josef

    Danke Herr Streich,
    für den emotionalen Nachruf über Axel Kurth.
    Meine Berührungspunkte mit Axel waren hauptsächlich die Aktivitäten in der Dorfgemeinschaft Kleinkönigsdorf. Seine Verdienste um den Erhalt dieser Gemeinschaft und des Brauchtums unseres Ortes kann ich voll und ganz unterstreichen. Leider gibt es aber immer weniger jüngere Leute, die Interesse zeigen, in solchen Ortsvereinen mitzuarbeiten. Als Vorstandsmitglied der Dorfgemeinschaft glaube ich im Sinne meiner Kollegen sagen zu können, dass wir unsere Arbeit in seinem Sinne weiterführen. Wir vermissen ihn sehr!

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