„Wir wollen keinen Friedhof in Buschbell!“

Auf dem Friedhof in direkter Nachbarschaft zur Moschee in Hürth werden auch Frechener Muslime beigesetzt.
Bild: S. Neumann
Einstimmig hatte der Rat der Stadt Frechen in seiner letzten Sitzung vor den Sommerferien beschlossen, auf dem Frechener Friedhof Buschbell-Neu ein Grabfeld für Bestattungen nach muslimischem Ritus einzurichten. Doch der Verein „DITIB – Türkisch-Islamische Gemeinde zu Frechen“, der die Moschee in Frechen unterhält, lehnt diesen Beschluss ab. „Wir wollen keinen Friedhof in Buschbell“, erklärt der Vorsitzende der Ortsgemeinde Hilmi Malkoc gegenüber Frechenschau.de. Der Friedhof sei zu weit entfernt von der Moschee, die sich im Zentrum von Frechen befindet. Und er biete einer großen Trauergemeinde zu wenige Parkmöglichkeiten. Nach islamischem Glauben ist es für die Familie und zu Ehren des Verstorbenen besonders wichtig, dass so viele Angehörige und Bekannte wie möglich seinen letzten Weg begleiten. Deshalb hält die muslimische Gemeinde an ihrem Wunsch nach einem eigenen Grabfeld auf dem zentral gelegenen Friedhof von St. Audomar fest. Dorthin könnte eine muslimische Trauergesellschaft von der Moschee aus bequem zu Fuß gelangen. Das ist wichtig, denn eine muslimische Bestattungszeremonie beginnt vor der Moschee und endet am Grab.
Friedhof St. Audomar ist vom Tisch
Der Friedhof von St. Audomar kommt jedoch nicht mehr in Frage. Zwar hatte der Rat der Stadt Frechen erst im März einem Grabfeld für Bestattungen nach muslimischem Ritus auf dem Friedhof St. Audomar zugestimmt. „Wir haben uns so darüber gefreut“, erzählt Hilmi Malkoc. „Sogar die DITIB in Köln hat uns gratuliert“. Aufgrund des Ratsbeschlusses für St. Audomar meldeten sich jedoch Denkmalschützer zu Wort: Dort, wo das muslimische Grabfeld vorgesehen sei, habe sich im Mittelalter die Burg Hochsteden mit ihrem Graben erstreckt. Im Boden seien Reste des historischen Burggeländes zu vermuten. Das für die Muslime vorgesehene und bis dato ungenutzte Teilstück des Friedhofs müsse unter Denkmalschutz gestellt werden.
Historischer Adelssitz im Boden
Archäologische Untersuchungen, die in den 1970er Jahren durchgeführt wurden, später aber wohl in Vergessenheit geraten seien, bewiesen die Existenz der Burg Hochsteden auf dem betroffenen Gebiet, bestätigt Uwe Steinkrüger vom Amt des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) für Bodendenkmalpflege im Rheinland. „Die Denkmalwürdigkeit ist unzweifelhaft.“ Die Burg wurde 1639 zerstört, habe aber mit Sicherheit schon ein Fundament aus Steinen gehabt, dessen Reste man im Boden finden würde. Im Rheinischen Amt für Bodendenkmalpflege in Bonn werde derzeit das Gutachten erstellt, dass als Grundlage für die offizielle Eintragung des Bodendenkmals in die Denkmalliste der Stadt Frechen bilden wird, informiert Steinkrüger. „Wir erwarten die endgültige Eintragung“, bestätigt Stadtsprecher Thorsten Friedmann.
Kommunikationsprobleme
Als das Aus für muslimische Bestattungen auf dem Friedhofs St. Audomar klar war, suchte die Verwaltung in Zusammenarbeit mit dem interfraktionellen Arbeitskreis Friedhofsentwicklung nach Alternativen und fand sie nur in Buschbell und in Königsdorf. Stadtsprecher Thorsten Friedmann versichert, dass man die muslimische Gemeinde vor der Ratsentscheidung am 5. Juli für den Friedhof Buschbell-Neu einbezogen habe. „Wir haben aus der muslimischen Gemeinde das Signal bekommen, das Buschbell-Neu in Frage kommt“, erklärt er gegenüber Frechenschau.de. Hilmi Malkoc bestreitet eine Beteiligung seiner Gemeinde an der Entscheidungsfindung. „Mit uns hat keiner geredet.“
Die Ratsmitglieder nickten den Vorschlag der Verwaltung, muslimische Bestattungen auf dem Friedhof Buschbell-Neu zu ermöglichen, dann einstimmig ab – ebenso alle Änderungen in der Frechener Bestattungs- und Friedhofssatzung, die dafür nötig waren.

Zum Gemeindezentrum zwischen Hauptstraße und Alte Straße gehört auch die Moschee des Vereins „DITIB – Türkisch-Islamische Gemeinde zu Frechen“. Bild: S. Neumann
Ein Friedhof für alle Muslime
Schon vor einigen Jahren wurde auf dem Alt-Hürther Friedhof neben der Moschee in Hürth ein Gräberfeld für Bestattungen nach muslimischem Ritus eingerichtet. Setdem konnten dort auch Muslime aus Frechen beerdigt werden. Die meisten Türken werden jedoch nach ihrem Tod in die Türkei überführt.
Der Verein Türkisch-Islamische Gemeinde zu Frechen hat nach Angaben von Hilmi Malkoc 239 männliche und weibliche Mitglieder. Die Gemeinde sei aber offen für alle, auch für nicht aus der Türkei stammende Muslime. „Wir bedienen jeden Muslim“, sagt Hilmi Malkoc. Zum wöchentlichen Freitagsgebet kämen regelmäßig 350 bis 400 Muslime in die Moschee in Frechen, bei den wichtigen Feiertagen seien es noch erheblich mehr. Auch die Gräberstätte wünscht er sich für alle Muslime in Frechen: „Wir wollen einen muslimischen Friedhof, keinen türkischen!“
Nachtrag vom 5. September 2016: Zur Sitzung des Integrationsrates der Stadt Frechen am 15. September teilt die Stadtverwaltung mit:
„Der Rat hat in seiner Sitzung am 05.07.2016 die Empfehlung der Verwaltung und des Arbeitskreises „Friedhofsentwicklung“ aufgegriffen und die Einrichtung eines Grabfelds auf dem Friedhof Buschbell-Neu sowie die Ergänzung der Friedhofs- und Bestattungssatzung der Stadt Frechen um die Bestattungsart „Bestattungen nach muslimischem Ritus“ beschlossen. Die Verwaltung hat das Grabfeld entsprechend der Qibla (arabisch: Gebetsrichtung) am 15.08.2016 durch eine Fachfirma einmessen lassen. Mit In-Kraft-Treten der Friedhofs- und Bestattungssatzung am 01.10.2016 kann das Grabfeld für Bestattungen nach muslimischem Ritus genutzt werden.“
Nachtrag vom 30. September 2016: Der Rat hat in seiner Sitzung am 27. September 2016 die Änderung der Friedhofssatzung einstimmig beschlossen. Die Geschäftsstelle des Integrationsrats gab in diesem Zusammenhang zu Protokoll, dass es im Vorfeld der Entscheidung für ein muslimisches Gräberfeld auf dem Friedhof Buschbell-Neu mit der „muslimischen Gemeinde“ (gemeint ist die türkisch-islamische Gemeinde) in Frechen ein Telefonat gegeben habe, in dem ein Vorstandsmitglied grünes Licht für Buschbell gab. (sn)