Schöner gendern

Kommentar von Susanne Neumann

Aktualisierung vom 11. Januar 2021:

Vor einem Jahr rechtfertigte ich mich an dieser Stelle wortreich dafür (siehe unten), dass ich die Frechenschau.de nicht konsequent zu gendern schaffe, und entschuldigte mich bei den Leserinnen*, die sich darüber ärgern. Jetzt sind Sie möglicherweise gerade über die Leserinnen* gestolpert? Genau. So soll mir Schöner Gendern ab sofort besser auf Frechenschau.de gelingen. Der Vorschlag stammt von der Sprachwissenschaftlerin Luise F. Pusch. Ihr Buch „Das Deutsche als Männersprache“ (Suhrkamp, 1984) gilt als Standardwerk der feministischen Linguistik. In einem Interview im Süddeutsche Zeitung Magazin (Heft 52/2020) schlägt die Linguistin vor, den Genderstern am Ende des Femininums einzubauen, also Lehrerin*, Regentinnen*, auch, um die Wünsche der Queer-Community miteinzubauen. „Der Stern zeigt an, dass alle Geschlechter gemeint sind, weiblich, männlich, nicht-binär“, erklärt sie. Der Stern stehe am Ende, weil er in der Mitte das Wort zerreißen würde. „Grammatikalisch funktioniert es wie das generische Maskulinum, ohne Doppelformen, Schrägstriche und sonstige Verrenkungen.“ Der Vorschlag von Luise F. Pusch kommt meinem Bedürfnis nach sprachlicher Gleichberechtigung und Mitdenken von Frauen bestmöglich entgegen, weshalb ich ihn für Frechenschau.de übernehmen möchte. Ich bin gespannt, wie weit ich damit komme!

Das Interview mit Luise F. Pusch ist auch online zu lesen, allerdings leider hinter einer Paywall:
https://sz-magazin.sueddeutsche.de/wissen/luise-pusch-interview-linguistik-89651?reduced=true
alternativ:

 

Beitrag vom 31. Januar 2020:

Gendern oder nicht gendern – das ist hier die Frage

„Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust“. Nicht oft beschreibt ein zum geflügelten Wort verkommenes Zitat aus der klassischen Literatur so treffend meine Meinung. Weshalb ich mir mal erlaube, es hier zu gerbrauchen. In die Gefilde der hohen Ahninnen gehoben befiehlt die aufgeklärte Frau in mir: „Gendere die Frechenschau!“ Doch der Autorin in mir dreht sich der Magen um. Jetzt mal abgesehen davon, dass auch der Rezipientin in mir zwanghaft eingepferchte Satzzeichen mitten im Wort beim Lesen ein Bein stellen und sprachliche Gräuel sind. Das trifft übrigens auch für ein als Pflaster benutztes Partizip Präsens oder Partizip Perfekt zu.

Als Journalistin bin ich – je nach Auftraggeber (!) – häufig gezwungen, Sternchen, Binde- oder Schrägstriche zu verwenden, soll ein Text die vorgegebene Textlänge nicht hoffnungslos überschreiten. Das muss ich auf Frechenschau.de zum Glück nicht und könnte, wo es geboten ist, die weibliche und die männliche Form des menschlichen Subjekts oder Objekts stets ausformulieren (Was konsequent übrigens die Wenigsten tun, achten Sie mal drauf!). Aber können Sie sich vorstellen, wie ein Text – sagen wir aus aktuellem Anlass zur bevorstehenden Kommunalwahl – aussähe, hätte ich die Bürgerinnen und Bürger, Leserinnen und Leser, Wählerinnen und Wähler (oder zuerst die Männer?) über die Wahl der – Achtung! – Bürgermeisterkandidatinnen und -kandidaten und (!) Bürgermeisterinnenkandidatinnen und -kandidaten informiert? (Und wie wären da eigentlich noch die Divers/inn/en einzubeziehen?). Sie sehen es selbst …

So möchte ich mich an dieser Stelle mal bei allen Leserinnen und Lesern der Frechenschau.de entschuldigen, die sich darüber ärgern, dass ich das Genderpostulat an der einen und anderen Stelle ignoriere. Hier stehe ich, ich kann nicht anders!

6 Kommentare

  • Miriam Erbacher

    Liebe Frau Neumann,
    liebe Leser:innen der Frechenschau,

    Form und Inhalt eines Textes können nicht komplett getrennt betrachtet werden. Mit einem Gruß an die Bürgerinnen und Bürger werden die Frauen genauso ernst genommen wie die Männer. Durch das Gendern, z.B. mit * oder : zeigen wir, dass wir alle Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht meinen. Damit wird auch anerkannt, dass der Geschlechterdualismus eine Vorstellung ist, die längst wissenschaftlich widerlegt ist.
    Auch unsere Sprache wandelt sich permanent, ein Vergleich mit dem Mittelalter zeigt das deutlich. Darum wird auch das Gendern unsere Sprache verändern. Noch gibt es viele Varianten, weil die Sprachgemeinschaft weiter auf der Suche ist. Dabei gerät manche Formulierung nur sperrig.
    Persönlich finde ich es nicht so wichtig, jeden Satz zu perfekt gendern. Wichtiger finde ich das Zeichen der Anerkennung und des Respekts für diejenigen, die nicht (nur) Mann oder Frau sind.

  • Angelika Schneeberger

    Liebe Frau Neumann,
    über Ihren Artikel zum Genderproblem in Ihren Texten war ich hocherfreut. Kommt mir doch die ganze Aufregung um die richtigen Formen ziemlich seltsam vor. Statt sich mit inhaltlichen Fragen von Gleichberechtigung zu befassen, hängt man an den formalen Fragen fest. Zuletzt kam eine Nachricht an die „lieben Mitgliederinnen“ an mir vorbei, woran man sieht, welche Blüten das „korrekte“ Anreden so treiben kann.
    Viele Grüße
    Angelika Schneeberger

  • Sabine

    Das finde ich ebenfalls gut. Literarisch und allgemein sprachlich gesehen sind diese Neuerungen nicht passend und sprachlich unschön. In Stellenanzeigen u.ä. natürlich notwendig.

  • Sylvia Knecht

    Ehrlich gesagt, finde ich diese Problemlage eher zweitrangig. Mir ist bei einem journalistischen Text das Thema Rechtschreibfehler wichtiger (was hier eindeutig als Hinweis zu verstehen ist:-))!

  • Henry Schumacher

    Ein wunderbarer Kommentar!
    Ich bin ganz bei der Autorin – ich kann auch nicht anders!

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