Spiegelbild der Experimentierfreude

Ritterbach - "Kleines"

„Schau mir in die Augen, Kleines!“ ist der Titel einer Figur aus Styropor und Spiegelscherben, die im Untergeschoss des Inklusiven Begegnungszentrums ausgestellt ist. Bild: S. Neumann

Roswitha Ritterbach betrachtet die drei Gebilde aus Spiegelscherben, die – jedes auf einem eigenen Sockel – vorm Fenster stehen. Sie haben noch keinen Titel. „Ohne Titel finde ich zu schade“, murmelt die Künstlerin, die die Gebilde aus zerbrochenen Spiegeln geschaffen hat. „Spiegelberge“ schlägt sie vor und spricht dabei mehr zu sich selbst, „Oder Spiegelpflanzen. Die Gebilde haben ja auch etwas Pflanzliches an sich …“. Der treffende Vorschlag kommt schließlich von Martin Bock von der Gold-Kraemer-Stiftung: „Spiegelblüten“, gefällt Roswitha Ritterbach gut. Vermutlich wird sie den Titel in den Katalog aufnehmen, den sie noch bis kommenden Sonntag fertigstellen muss. Dann nämlich wird ihre Ausstellung „Spiegelbild“ im Inklusiven Begegnungszentrum der Gold- Kraemer-Stiftung Kirche Alt St. Ulrich mit einer Vernissage eröffnet.

Ritterbach - Spiegelblüten

„Spiegelblüten“ sollen die drei Gebilde aus Spiegelscherben heißen. Bild: S. Neumann

Spiegelbilder draußen und drinnen

Die Künstlerin aus Frechen, die auch ein Atelier im „Kunstzentrum – Signalwerk“ an der Kölner Straße hat, stellte schon öfter dort aus. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die Malerei, doch die Ausstellung „Spiegelbild“ dominiert die Fotografie. In zahlreichen Fotos hat sie die mannigfachen Spiegelungen festgehalten, die uns im Alltag begegnen, die wir jedoch kaum zur Kenntnis nehmen – die Zufälligen und die Gewollten, die Draußen und die Drinnen, die in der Natur oder die in Gebäudefassaden. Da spiegeln sich Wolken in Pfützen, das gegenüberliegende Haus in einer Fensterscheibe, das rote Abendlicht auf der Oberfläche eines Sees. Viele der zahlreichen Fotografien, die – mal für sich, mal als Teil einer Komposition aus mehreren Bildern – an den Wänden hängen, entfalten erst bei genauer Betrachtung einen Reiz. Nämlich dann, wenn sie die Betrachter herausfordern zu ergründen, wie die Fotografin einen bestimmten Effekt oder eine Wirkung erzielt hat. Oder ob ein Effekt schon von jemand anderem erzielt und nur von ihr abfotografiert wurde, wie in einer Fotografie von einem Küchenschrank mit Spiegelwand, der vor einer Fototapete aussieht, als stehe er am Strand.

Ritterbach im ICE

Auf einer Reise von Berlin nach Köln mit dem ICE hat Roswitha Ritterbach innerhalb von 5 Stunden Fahrt regelmäßig ein Foto gemacht von der Reflexion eines Mitreisenden in der Reihe vor ihr im Fenster. Dass er Teil eines Kunstprojekts wurde, hat der Mann nicht erfahren. Bild: S. Neumann

Gespiegelte Spiegel

Der Achsenspiegelung widmete sich die Künstlerin mit der Dekalkomanie-Technik: Fünf farbenfrohe Monotypien sind dabei entstanden. Ein abstraktes Acrylgemälde hat sie für die Ausstellung gemalt, um es am Computer spiegeln zu lassen. Collagen und Gebilde aus Spiegeln und Spiegelscherben runden die Ausstellung ab. Je nachdem wie die Exponate arrangiert und im Raum verteilt sind, erzielen sie neue Spiegeleffekte, die es zu entdecken gilt. Selbst die Scheiben in den Glasrahmen, in denen die Bilder an den Wänden hängen, spielen eine Rolle. Während Roswitha Ritterbach durch die Ausstellung führt, entdeckt sie selbst immer wieder neue Effekte. Sie wechselt die Perspektiven und Standpunkte, wenn sie in einen Spiegel blickt, und freut sich über die Wirkung. Und so ist die ganze Ausstellung auch ein Spiegel ihres Forscherdrangs und ihrer Experimentierfreude.

Ritterbach im Spiegel

Ein alter Tiffany-Spiegel, den Roswitha Ritterbach im Müll fand, reflektiert Betrachter und die Werke, die im Raum hängen, je nach Standpunkt. Bild: S. Neumann

Öffnungszeiten

Die Ausstellung ist geöffnet bis Sonntag, den 23. Oktober, dienstags bis sonntags von 13 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.

Workshop mit Roswitha Ritterbach

Zur Ausstellung findet ein Workshop für Menschen mit geistiger Behinderung am Samstag, den 01. Oktober 2016, 14.30-16.30 Uhr, statt. Die Teilnahme ist kostenlos, eine Anmeldung erforderlich unter Telefon 02234 93 30 34 00.

Ritterbach Bibel Säule

In der alten Kirche steht eine Säule mit Spiegelscherben, die Roswitha Ritterbach einem Bibelvers gewidmet hat: „Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunkeln Wort; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich’s stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin.“ (Erster Brief des Paulus an die Korinther, 13. Kapitel, Vers 12) Bild: S. Neumann

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