Dreiste Wahlwerbung – eine Glosse zur Posse

Wahlplakat CDU NRW Thomas Okos Plakatwerbung

Auf Privatgelände an der Landstraße 183/Bonnstraße auf Frechener Stadtgebiet wurde eine Werbung für den CDU-Landtagskandidaten für Frechen, Hürth und Kerpen installiert – mehr als vier Monate vor der Landtagswahl in NRW.
(Nachtrag vom 12.01.2022: Die Aufnahme stammt vom 10.01.2022. Unterdessen wurden die Werbebanner von den Trägern (Bauzaun) entfernt, siehe Nachtrag vom 12.01. unten)
Foto: S. Neumann

Es ist nicht zu übersehen: Auf einem großflächigen Banner an der Landstraße 183/Bonnstraße, unweit der Brücke über die A1, wünschen die „CDU NRW“ (im Banner oben rechts) und ihr „Landtagskandidat“ für Frechen, Hürth und Kerpen Vorbeifahrenden aus beiden Richtungen unter der Überschrift „Aufbruch“ einen guten Start ins neue Jahr. Wohlgemerkt ein Wahljahr: Am 15. Mai 2022 wird in Nordrhein-Westfalen der Landtag gewählt. Das Plakat der CDU mit ihrem Kandidaten Thomas Okos ist daher unschwer als Wahlwerbung zu erkennen. Schließlich kandidiert der Frechener Kommunal- und Kreispolitiker zum ersten Mal für den Landtag, da will man sich offensichtlich frühzeitig auch über die Grenzen Frechens hinaus bekannt machen. Soweit, so nachvollziehbar.

Nur besagen die Spielregeln, dass Wahlplakate erst zu einem für alle Parteien und Kandidaten verbindlichen Termin aufgestellt oder -gehängt werden dürfen, der meist ein paar Wochen vor dem Wahltag liegt und nicht mehrere Monate davor. Das gebietet nicht nur die Chancengleichheit für die Kandidierenden, sondern soll auch verhindern, dass immer mehr Wahlplakate immer früher vor einer Wahl das Straßenbild verschandeln. Das Wahlkampfteam von Thomas Okos hat aber offensichtlich beschlossen, sich nicht mehr an die Regeln zu halten und dreist eine Grauzone im Regelwerk auszunutzen.

Auf Privatgelände erlaubt

Da gibt es zunächst die Sondernutzungssatzung der Stadt Frechen, die besagt, dass Wahlplakate nur in einem Zeitraum von sechs Wochen vor einem Wahltag zulässig sind (und innerhalb eines Zeitraums von zwei Wochen danach wieder entfernt werden müssen). Doch für jenes besagte Werbebanner des CDU-Landtagskandidaten auf Frechener Boden gilt die Regel nicht. Das bestätigt Torsten Friedmann, Pressesprecher der Stadt, auf Anfrage, denn „die Sondernutzungssatzung findet in der beschriebenen Situation keine Anwendung. Die Satzung nimmt Bezug auf öffentliche Wege/Plätze, bei dem Aufstellort handelt es sich jedoch um Privatgelände.“

Der Eigentümer des Ackers erklärt gegenüber Frechenschau.de, gefragt worden zu sein und die Aufstellung der Plakatwand erlaubt zu haben.

Abstandsregel 20 Meter

So könnte von Rechts wegen nur noch der Landesbetrieb Straßenbau NRW etwas gegen das Billbord am Straßenrand haben – aus Gründen der Verkehrssicherheit, denn der Blick auf den überlebensgroßen Landtagskandidaten und seine guten Wünsche könnten Vorbeifahrende zu sehr ablenken. Laut einem gemeinsamen Runderlass vom NRW-Verkehrs- und vom NRW-Innenministerium für „Lautsprecher- und Plakatwerbung aus Anlass von Wahlen, Volksbegehren und Volksentscheiden in Nordrhein-Westfalen“ muss deshalb die zuständige Straßenverkehrsbehörde über Wahlplakate am Straßenrand unterrichtet werde. Im Falle des Werbebanners der CDU an der L183 ist das der Landesbetrieb Straßenbau NRW. (** Korrektur siehe unten, A.d.Red.) Torsten Gaber, Pressesprecher des Landesbetriebs, erklärt, dass bei seiner Behörde keine Genehmigung für besagte Plakatwand eingeholt worden sei. Und stellt fest: „Plakatwerbung näher als 20 Meter an Bundes- und Landesstraßen außerorts ist nicht gestattet und würde nur in Ausnahmefällen genehmigt.“ Für Wahlwerbung gebe es eine solche Ausnahmegenehmigung, allerdings nur für bis zu 3 Monate vor einer Wahl. „Dieses Kriterium ist hier aber nicht erfüllt, da die Landtagswahl in NRW erst im Mai 2022 stattfindet.“ Man werde jetzt nachmessen: Sollte sich herausstellen, dass die Plakatwand näher als 20 Meter an der Straße stehe, müsse der Aufsteller sie unverzüglich abbauen. Auf Nachfrage ergänzt Gaber: „Wenn das Plakat generell aber mehr als 20 Meter von der Straße entfernt steht, sprich wenn die CDU das Plakat versetzt, anstatt es zu entfernen, kann es aus verkehrsrechtlicher Sicht und somit aus Sicht des Landesbetriebs stehen bleiben.“

Super Tipp für die CDU − und natürlich auch für potentielle Nachahmerinnen! Der Zank in der Sandkastenarena ist nämlich längst eröffnet: Wie unlängst in der Lokalpresse zu lesen war, hatte die CDU in Kerpen gerade erst wegen einer vergleichbaren Plakataktion der Grünen mächtig Stunk gemacht. Nämlich, weil es die grüne Landtagskandidatin Antje Grothus − die übrigens für den gleichen Wahlkreis (Wahlkreis 6/Rhein-Erft-Kreis II) kandidiert wie Thomas Okos, also seine Gegenkandidatin sein wird – gewagt hatte, auf Plakaten gesegnete Weihnachten und ein Frohes Neues zu wünschen. Wie im Kölner Stadt-Anzeiger am vergangenen Samstag geschrieben stand, wollte die Kerpener CDU auch keine Ruhe geben, nachdem die Grünen die Plakate ausgetauscht hatten gegen ein Plakat von Antje Grothus ohne Hinweis auf ihre Landtagskandidatur.

Ach so: Die hat angefangen mit der scheinheiligen Plakatiererei! Ja dann …

… dann müssen wir uns wohl auch darauf einstellen, dass andere Parteien und Kandidierende nachziehen: Einfach einen Parteifreund mit geeignetem Privatgrund ausfindig gemacht und – Obacht! – 20-Meter-Abstandsregel beachtet. Und schon bekommen wir die Wahlplakate noch bevor die Schokohasen für Ostern im Supermarkt stehen.

Nicht, dass sie später oll schmecken.

**Korrektur vom 12.01.2022:

Der Landesbetrieb Straßenbau NRW ist – anders, als im oben stehenden Beitrag formuliert – NICHT die Straßenverkehrsbehörde, sondern die Straßenbaubehörde und in dieser Funktion Straßenbaulastträger für Bundes- und Landesstraßen in NRW. Straßenverkehrsbehörden in NRW sind beim Landkreis oder der Stadt/Gemeinde angesiedelt.

Zum Thema Plakatwerbung außerhalb geschlossener Ortschaften stellt der Landesbetrieb Straßenbau NRW folgende Infoseite zur Verfügung:

https://www.strassen.nrw.de/de/partner/arbeitshilfen-unterlagen/plakatwerbung-an-strassen.html

Nachtrag vom 12.01.2022:

Aufnahme vom Standort am 12.01.2022, Foto: S. Neumann

 

Auf Bitte per E-Mail um Stellungnahme für Frechenschau.de hat Thomas Okos bislang nicht reagiert. Jedoch wurde das Wahlplakat mit dem CDU-Landtagskandidaten an der Landstraße 183 in Frechen unterdessen entfernt: Bei einer Vorbeifahrt am heutigen Mittwochnachmittag standen nur noch die Bauzaunelemente an Ort und Stelle, an denen die CDU-Wahlplakat Plakate in beide Fahrtrichtungen noch am Montag befestigt waren. Wie Torsten Gaber vom Landesbetrieb Straßenbau NRW heute informiert, hätten Mitarbeitende der Straßenbaubehörde bereits am Dienstagmorgen – also noch während der Recherchen von Frechenschau.de –  nur noch den Bauzaun vorgefunden, als sie vor Ort und aufgrund der Anfrage von Frechenschau.de den Abstand zur Straße nachmessen wollten. „Ich gehe daher davon aus, dass die CDU das Plakat, wie von uns gefordert, umgehend entfernt hat. Auf dem Feld lag lediglich noch der Bauzaun, der uns somit aber nicht mehr betrifft, weil das Feld Privatgrund ist. Das Nachmessen hatte sich somit erledigt“, teilt Torsten Gaber in seiner E-Mail von heute mit. 

 

 

2 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert