E-Scooter in Frechen sollen weniger werden
Für jeden gewerblich verliehenen Elektro-Tretroller (E-Scooter) auf Frechener Stadtgebiet soll pro Jahr 50 Euro Sondernutzungsgebühr erhoben werden, für jedes gewerblich verliehene Fahrrad – auch für E-Bikes − dagegen nur 5 Euro. Diese Beträge sieht die überarbeitete „Satzung über Erlaubnisse und Gebühren für Sondernutzungen an öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen (Sondernutzungssatzung) der Stadt Frechen“ vor, die der Frechener Stadtrat am vergangene Woche beschlossen hat (Top A15.3)**. Warum diese Ungleichbehandlung von Leih-E-Scootern und Leihfahrrädern? „Durch die Beträge soll steuernd eingewirkt werden“, lautet die Antwort der Stadtverwaltung auf die Anfrage von Frechenschau.de. „E-Scooter werden voraussichtlich in der Anzahl reduziert. Das entspricht den Forderungen aus der Bürgerschaft aber auch Hinweisen aus dem politischen Raum.“ Fahrräder dagegen würden als Bestandteil der Verkehrswende angesehen und sollten entsprechend gefördert werden. „Hier ist der zu erwartende Anteil von Ernsthaftnutzern höher und spricht eine andere Zielgruppe an.“
E-Scooter als Beitrag zur Mobilitätswende
Mit anderen Worten: E-Scooter sind nur Spielerei? Im Klimaschutz- und Mobilitätsbericht der Stadt Frechen 2020/2021, der jüngst im Ausschuss für Verkehr, Umwelt und Klima vorgestellt wurde, klingt das noch etwas anders: „Elektrokleinstfahrzeuge sind Fortbewegungsmittel, die bei kurzen Distanzen (insbesondere bei Alltagswegen) und in Ergänzung zum Öffentlichen Personennahverkehr als Zubringer („erste/letzte Meile“) den Menschen in der Stadt eine umwelt- und benutzerfreundliche Alternative zu den klassischen Individualverkehrsmitteln bieten können“ steht dort unter der Überschrift „E-Tretroller“ geschrieben, und weiter: „Unter den richtigen Rahmenbedingungen haben Elektrokleinstfahrzeuge und die gesamte Mikromobilitätsbranche das Potential, die Mobilitätswende in den Städten zu fördern und zu beschleunigen.“
Rund 300 E-Scooter auf Frechener Stadtgebiet
Im vergangenen Jahr erst hatte die Stadt im Sinne der Mobilitätswende befristete Kooperationsverträge mit den drei E-Scooter-Verleiherinnen Spin GmbH, LimeBike Germany GmbH und Bird Rides Germany GmbH abgeschlossen. Spin gab in 2021 nur ein kurzes Gastspiel in Frechen, Anfang dieses Jahres verkündete der CEO des Unternehmens den kompletten Rückzug aus Deutschland. Die Lücke füllte Bird und installierte in diesem Frühjahr 140 schwarz-weiße E-Scooter auf Frechener Stadtgebiet. Seit einem Jahr durchgängig in Frechen zu finden und zu nutzen sind die weiß-grünen E-Scooter von Lime. Aktuell stellt das Unternehmen in Frechen eigenen Angaben zufolge 150 E-Scooter zur Verfügung. Der einjährige Kooperationsvertrag mit der Stadt vom Mai 2021 sei gerade um ein Jahr verlängert worden. Da Frechen direkt an Köln angrenze, könnten die Nutzerinnen und Nutzer auch von Frechen nach Köln fahren und umgekehrt, informiert Lime auf Anfrage von Frechenschau.de. „Wir ergreifen die notwendigen technischen und logistischen Maßnahmen, um die von der jeweiligen Stadt festgelegte Obergrenze [der Zahl der E-Scooter, A.d.Red] einzuhalten.“
Teil der Vereinbarungen zwischen Stadt und Verleiherinnen* sind außerdem Gebiete und Zonen, in denen die E-Scooter nicht abgestellt und zum Verleih bereitgestellt werden dürfen. In Frechen sind das unter anderem Parks und Friedhöfe sowie die komplette Fußgängerzone auf der Hauptstraße, dem Marktplatz und rund ums Rathaus.
„Unverhältnismäßig hohe Gebühren“
Die Höhe der Sondernutzungsgebühren der Stadt Frechen für die so genannten Elektrokleinstfahrzeuge, die ihre Anbieterinnen laut neuer Sondernutzungssatzung zahlen müssen, hält man bei Lime für unverhältnismäßig, und zwar im Vergleich zum motorisierten Individualverkehr [Pkw und Krafträder, A.d.Red.]. „Die Verkehrswende kann nur gelingen, wenn nachhaltige Mobilitätsoptionen gefördert werden und nicht unverhältnismäßig höher als der motorisierte Individualverkehr mit Gebühren belastet werden“, nimmt Lime zu dem Frechener Gebührenvorhaben Stellung und rechnet vor, dass ein E-Scooter damit um ein Vielfaches höher bepreist würde als ein Pkw auf einem gebührenpflichtigen Anwohnerparkplatz zu derzeit 26 Euro pro Jahr. Auf dem hätten 15 E-Scooter Platz. „Mit unverhältnismäßig hohen Gebühren setzen Städte die Aufwertung des kommunalen Mobilitätsangebotes (…) aufs Spiel.“
Statement von Lime im Wortlaut
„Mikromobilität darf nicht schlechter gestellt werden als der motorisierte Individualverkehr. Die Verkehrswende kann nur gelingen, wenn nachhaltige Mobilitätsoptionen gefördert werden und nicht unverhältnismäßig höher als der motorisierte Individualverkehr mit Gebühren belastet werden. So liegt die Gebühr für einen Anwohnerparkausweis in Frechen derzeit bei 26 Euro pro Jahr; auf einen Pkw-Stellplatz passen circa 15 E-Scooter. Damit wird ein E-Scooter um fast das 30-fache höher bepreist als ein Pkw. Andere Städte zeigen, wie eine faire Bepreisung der Mikromobilität aussehen kann. In Oldenburg werden zum Beispiel 2 Euro pro E-Scooter und Jahr erhoben, da sich die Stadt an den Sondernutzungsgebühren für Carsharing orientiert und davon ausgeht, dass die Flächeninanspruchnahme eines Pkw derer von 15 E-Scootern entspricht. Gerade in kleineren Städten mit weniger gut ausgebautem ÖPNV kann die Mikromobilität eine große Chance bieten, die Mobilität der Menschen vor Ort zu verbessern. Mit unverhältnismäßig hohen Gebühren setzen Städte die Aufwertung des kommunalen Mobilitätsangebotes jedoch aufs Spiel.“
Fahrradmietsystem am Start
Ein gewerbliches Fahrradmietsystem gibt es derzeit noch nicht in Frechen. In Kürze soll jedoch die nextbike GmbH ihr Bike-Sharing-System an den Start bringen. Von einer Sondernutzungsgebühr wäre das Unternehmen nicht betroffen. nextbike hat nach einem europaweiten Ausschreibungsverfahren der REVG Rhein-Verkehrsgesellschaft mbH Ende April den Zuschlag für ein Fahrradmietsystem im gesamten Rhein-Erft-Kreis erhalten. Das Angebot wird von den beteiligten Kommunen gemeinsam finanziert, daher fallen keine Gebühren für das „eigene“ Verleihsystem an. In Köln ist nextbike mit dem „KVB Rad“ Kooperationspartner der Kölner Verkehrs-Betriebe AG (KVB). Frechen zählt zu den Städten im Rhein-Erft-Kreis, in denen das Bike-Sharing-System von nextbike in der ersten Umsetzungsstufe bereits ab Mitte dieses Jahres bereitstehen soll.
Wie die Stadt Frechen informiert, ist beabsichtigt, zunächst 66 konventionelle nextbike-Räder an mindestens 11 Stationen in Frechen anzubieten:
In der Frechener Innenstadt
– am Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB)/Stadtbahn
– am Bahnhof Frechen
– an der Kirche St. Audomar
– in Königsdorf am Bahnhof
– in Benzelrath an der Endhaltestelle der Linie 7
– in Bachem an der Hubert-Prott-Straße
– in Buschbell an der Ulrichstraße, Höhe Bushaltestelle
– in Grefrath an der Matthias-Werner-Straße, Höhe Bushaltestelle
– in Habbelrath an der Klosterstraße, Höhe Bushaltestelle
– in Grube Carl am Wolfgang-Giesen-Platz
– sowie im Gewerbegebiet Europaallee.
Um auch die fußläufige Erreichbarkeit bis ins Quartier zu ermöglichen, ist nach Informationen der Stadt eine Umverteilung der 11 Hauptstationen auf mindestens zusätzliche 17 Nebenstationen geplant. Auch eine Ausweitung des Angebots auf E-Bikes und ggf. E-Lastenräder soll zu einem späteren Zeitpunkt möglich sein.
Zielgruppe für E-Scooter missachtet
„Die Dinger stehen und liegen überall im Weg rum“ schimpfen Menschen, die sie nicht nutzen, auf die E-Tretroller zum Ausleihen. Auch in meinem − nicht mehr ganz jungen − Freundes- und Bekanntenkreis ist das Naserümpfen über die E-Scooter von Lime & Co. weit verbreitet. Vor allem passionierte Fahrradfahrerinnen* schütteln über diese unsportliche Form der Fortbewegung den Kopf. Eine Exfreundin titulierte mich gar als „Technik-Opfer“, weil ich Verleih-E-Scooter nutze. Mein Lieblingsargument gegen die kleinen Gefährte: „Früher oder später landen die alle im Rhein!“
Ich halte solches E-Scooter-Bashing für spießbürgerlich. Und die Jammerei über eine E-Scooter-Plage in Frechen für reichlich übertrieben − oder selektiver Wahrnehmung geschuldet. Wer sich über die Dinger ärgert, dem fallen sie natürlich auch an jeder Ecke auf. Dabei stehen sie über das Stadtgebiet verteilt doch nur recht vereinzelt herum, von einigen punktuellen Häufungen mal abgesehen. Und schließlich sollen die Roller möglichst überall rumstehen, das ist ja das Prinzip. Wer einen E-Scooter für einen kürzeren Weg nutzen will, muss ihn auch schnell erreichen können. Das System funktioniert nur bei ausreichender Zahl und Verteilung von verfügbaren Fahrzeugen. Eine „Reduzierung“ der Zahl der E-Scooter, auf die die Stadt nach eigenen Angaben abzielt, macht das System irgendwann sinnlos − ebenso wie ihre Verbannung in punktuelle Abstellzonen, die nur für Kundschaft im Umkreis von wenigen hundert Metern attraktiv wären.
Nun gibt es sicherlich rücksichtslose Mitmenschen, die ihre Roller nach Gebrauch mitten auf Straßen, Rad- und Fußgängerwegen stehen oder gar fallen lassen, wo sie zu Hindernissen werden, teils auch gefährlichen! (Ich frage mich nur, ob nicht auch Passierende mit Aversionen die verhassten Dinger umschubsen, wenn keiner hinguckt. Oder sie in den Rhein werfen, wenn der gerade in der Nähe ist.) Meiner Beobachtung zufolge sind rücksichtlos abgestellte oder hingeworfene E-Scooter in Frechen aber eher die Ausnahme.
50.000 Fahrten in einem Jahr
Angaben von Lime zufolge wurden in Frechen seit dem Start vor einem Jahr mehr als 50.000 Fahrten auf den E-Scootern des Unternehmens absolviert. Die meisten dieser Fahrten hätten innerhalb von Frechen stattgefunden. Man beobachte viel Verkehr in Königsdorf, Grefrath und Bachem, aber auch nach Lövenich, Junkersdorf und Lindenthal in Köln. Offenbar gibt es in Frechen also eine recht große Kundschaft für die kleinen Elektrogefährte. Doch die Stadt spricht der Zielgruppe ab, „Ernsthaftnutzer“ zu sein. Und beruft sich – zumindest gegenüber frechenschau.de – ziemlich vage auf „Forderungen aus der Bürgerschaft“ und „Hinweise aus dem politischen Raum“, um den E-Scooter-Verleiherinnen das Geschäft schwer zu machen. Nicht ernst genommen wird damit die Frechener Kundschaft von Mietrollern, und die ist beachtlich größer, als man bei der Stadt oder in der Politik offenbar wahrhaben will.
E-Scooter-Fahren: So geht’s!
Vielleicht bin ich die älteste Mutti, die in Frechen damit rumfährt, aber ich nutze die Verleih-E-Scooter so oft wie möglich anstelle des Autos, wenn ich nicht mit dem Fahrrad fahren will oder kann. Und zwar ganz ernsthaft! Sie bringen mich auf kurzen Wegen flott und bequem zu meinem Ziel (wo ich keinen Parkplatz suchen muss), zu meinem Auto, wenn ich es irgendwo stehen gelassen habe, zum Beispiel in der Werkstatt in Marsdorf, oder zur Linie 7. Und sie ersetzen abends Bus und Bahn, wenn die nicht mehr fahren. Dabei ist der Miet-E-Scooter auf kürzeren Strecken kaum teurer, als der Omnibus, dafür aber flexibler und deutlich billiger als ein Taxi. Ein Euro Gebühr wird pro Start fällig, dazu kommen 19 Cent bei Bird oder 20 Cent bei Lime pro angefangener Minute Leihzeit. Vom äußersten Zipfel von Bachem in die Frechener Innenstadt zahle ich je nach Zielentfernung mit einem E-Scooter von Lime zwischen 2,40 und 3,60 Euro. Zum Vergleich: Die Busfahrkarte von der Carl-Goerdeler-Straße zum Rathaus kostet mich 2,50 Euro (Preisstufe 1a) – (nur gerade nicht, weil ich das 9-Euro-Ticket hab).
Scannen, antreten und losfahren
Die Bedienung ist simpel: Jeder E-Tretroller hat rechts einen Gashebel am Lenker, der mit dem Daumen bedient wird, rechts und links eine Handbremse und links eine Klingel. Das war‘s. Vorder- und Rücklicht leuchten automatisch. Zum Anfahren muss man ein- bis zweimal Antreten, wie auf einem herkömmlichen Tretroller und dann im Rollen den Gashebel drücken, dann wird der E-Antrieb in Gang gesetzt. Die maximale Geschwindigkeit beträgt 25 km/h. Lässt man sich bergab rollen, bremst der Motor bei dieser Geschwindigkeit ab. Als schwierig empfinde ich nur das Handzeichengeben. Statt dafür unsicheres, einhändiges Lenken zu riskieren, gebe ich lieber Fußzeichen. Zum Einkaufen eignet sich ein E-Tretroller leider auch nicht – es sei denn, alles, was ich transportieren will, passt in meinen Rucksack.
Verliehen wird per App, bezahlt ebenso. Laden Sie sich aus dem App Store (für iPhones) oder Google Play (für Android-Handys) die App des Unternehmens auf Ihr Mobiltelefon, dessen E-Scooter sie nutzen wollen. Bei der Einrichtung können Sie unter verschiedenen Zahlungsmethoden wählen, wie per Paypal, Lastschrift per Klarna oder mit Kreditkarte. Wollen Sie einen Scooter mieten, wird Ihnen direkt beim Öffnen der App auf einer Karte angezeigt, wo E-Scooter des Unternehmens in Ihrer Nähe stehen und wie der Ladestand der Batterie ist. Wählen Sie ein Fahrzeug, wird angezeigt, wie viele Kilometer sie damit noch fahren können und wie lange sie zu Fuß brauchen, um es zu erreichen. Auch navigiert Sie die App zum Fahrzeug. Gestartet wird der Mietvorgang, indem Sie aus der App heraus den QR-Code scannen, der auf jedem Gefährt aufgebracht ist. Und schon kann’s losgehen!
Achtung! Beenden können Sie eine Fahrt nur, wenn Sie den E-Scooter in einem dafür erlaubten Bereich abstellen! In Frechen geht das zum Beispiel nicht in der Fußgängerzone, denn der komplette Fußgängerbereich auf der Hauptstraße und rund ums Rathaus ist für das Abstellen von E-Scootern gesperrt.
**Die ursprüngliche Fassung dieses Beitrags vom 17. Juni 2022 wurde am 27. Juni aktualisiert.
Mit dem Scooter bitte nur auf der Straße fahren, nicht auf dem Radweg!
Im Verhältnis zu den Preisen für das Anwohnerparken sind sie 50 Euro eindeutig zu hoch. Den Steuerungseffekt, der erzielt werden soll: Disziplin beim Abstellen erhält man so sicherlich nicht.
Aber ich halte eine deutliche Erhöhung der Kosten für’s Anwohnerparken für angemessen.
15 Scooter passen auf einen Stellplatz, also gilt bei Gleibehandlung, dass das Anwohnerparken zukünftig mit 15×50 Euro p.a. zu vergüten ist, also 750 Euro
Ich meine, dass es falsch ist, die Sooter zu verdrängen. Ich bin 68 Jahre alt und habe einige Male einen Scooter benutzt. Auch, um von der Fahrradwerkstatt wieder nach Hause zu kommen. Prima Sache. Tatsächlich gibt es einige Zeitgenossen, die das Gefährt völlig rücksichtslos irgendwo mitten auf dem Gehweg oder vor einem Hauseingang abstellen. Anstatt die Roller zu verdrängen, sollten falsch abgestellte geahndet werden. Schließlich ist der letze Nutzer bekannt und es muss ein Foto des abgestellten Rollers gemacht werden.