„Das ist ein Teil von mir selber“
Bernd Mayerhofer blickt in das kleine, weiß getünchte Gewölbe tief unten im Keller des Stadtarchivs Frechen. Unzählige Keramikgefäße und -platten, vor allem aber alle möglichen Tonrohre und Formstücke sind in dem kleinen Raum deponiert. Sämtliche Teile sind mit einer fein säuberlich ausgefüllten und laminierten Karteikarte versehen: Ihre Bezeichnungen, der Fundort, der Hersteller und sein Zeichen, das Jahr der Fertigung, sogar der Ofentyp, in dem das Keramikteil gebrannt wurde, sind in schwarzer Tinte vermerkt. „Das ist ein Teil von mir selber“ stellt Bernd Mayerhofer die Sammlung vor und steigt die drei Treppenstufen hinab in sein Reich.
Seit seiner Kindheit sammelt der Frechener und ehrenamtliche Mitarbeiter des Stadtarchivs industriell gefertigtes Steinzeug – und damit auch ein Stück Stadtgeschichte. Die Mayerhof‘sche Sammlung sei die einzige ihm bekannte Sammlung zu industriell gefertigtem Steinzeug überhaupt, sagt Stadtarchivar Alexander Entius. Schließlich sei Frechen ein, wenn nicht das Zentrum für industriell hergestelltes Steinzeug gewesen, erklärt er und zeigt ein Foto aus dem Jahr 1962, das die Skyline der Stadt abbildet: Die Schlote unzähliger Steinzeugfabriken heben sich darauf gegen den Himmel ab.
Zentrum der Steinzeugindustrie
Jahrhunderte lang bestimmten das Töpferhandwerk und die Steinzeug-Produktion das wirtschaftliche Leben in Frechen. Die Töpfereien, die sich seit dem Mittelalter und bis in die Neuzeit in der Stadt ansiedelten, verarbeiteten tertiäre Tone, die sich besonders für die widerstandsfähige Steinzeug-Produktion eignen und in der Gegend nahe der Oberfläche vorkamen. Frechen entwickelte sich zu einem international bedeutenden Töpfereizentrum. Im 19. Jahrhundert wechselten dann viele Töpfer in die aufkommende Tonröhrenindustrie, die ihren wirtschaftlichen Aufschwung der Kanalisierung vieler Städte verdankte. Die salzglasierten Tonröhren sind besonders dicht und damit wasserundurchlässig und außerdem resistent gegen Säure, erklärt Bernd Mayerhofer, warum sie sich besonders gut für die Kanalisation eignen. Einen guten Rutsch im Rohr garantiert die Glasur. Sie entsteht beim Verdampfen von Salz, das beim Brennen mitgegeben wird.
Ein Stückchen Bartmannkrug am Rand der Grube
Seit Ende des 15. Jahrhunderts und bis ins 19. Jahrhundert wurden von Frechen aus die berühmten Bartmannkrüge in die Welt verschickt. Und ein Stückchen Bartmannkrug war es auch, das Bernd Mayerhofer mit seiner Sammelleidenschaft infizierte: Es war 1969, als der damals Siebenjährige mit Mutter und Bruder in der Frechener Innenstadt zum Einkaufen unterwegs war und an eine Baustelle kam, wo Häuser abgebrochen wurden. Auf der Baustelle hatte sich offenbar ein so genanntes „Scherbennest“ aufgetan. Solche Ansammlungen keramischer Bruchstücke zum Beispiel aus Fehlbränden waren und sind vermutlich noch in der ganzen „Töpfereisiedlung Frechen“ im Boden zu finden. Dieser Bezirk entlang der Hauptstraße sei heute als „Grabungsschutzzone“ denkmalgeschützt, informiert Alexander Entius. „In dem Loch waren jede Menge Leute am Wühlen“, erinnert sich Bernd Mayerhofer. „Und mein kleiner Bruder fand so ein kleines Stück von einem Bartmannkrug am Rande der Baugrube“, erzählt er. „Da hat sich bei mir eingeprägt: In Frechen gibt es was zu finden.“
Erstes Sammlerstück von Toni Stockheim
Seitdem hat ihn das Steinzeugsammeln nicht mehr losgelassen. Auf ehemaligen Fabrikgeländen und Industriebrachen suchte er nach gut erhaltenen Stücken und Bruchstücken – auf dem Gelände der Steinzeugröhrenfabrik Balkhausen & Co an der Hubert-Prott-Straße zum Beispiel, die 1968 geschlossen und 1974 abgebrochen wurde. Sie lag in der Nachbarschaft der heutigen Kapfenberger Straße, wo er aufgewachsen ist. Und dort fand er im Jahr 1976 auch sein erstes wichtiges Sammlerstück: Eine Reliefplatte mit zwei Schlangen, die sich um einen Stab winden. Wie immer weiß Bernd Mayerhofer noch genau, wann und wo er das Stück gefunden hat. Die Platte habe aus der Erde geguckt, erinnert er sich. Und heute weiß er noch viel mehr: Anhand der seitlich eingeritzten Initialen fand er heraus, dass das Relief eine Arbeit des Kölner Bildhauers Toni Stockheim war. Der hatte auf dem Fabrikgelände ein Atelier, wie Bernd Mayerhofer recherchiert hat. Zwei Jahre vor seinem Stockheim-Fund hatte er bereits seine Lieblingsstücke auf dem Fabrikgelände ausfindig gemacht: Kunstvoll gestaltete keramische Aufsätze auf den Lüftungsschächten, die aus dem Dach einer Fabrikhalle ragten. „Da hab ich als Fetz drauf gesessen“, erinnert sich der damals Zwölfjährige. Leider habe er die Aufsätze nicht abmontiert bekommen.
70 Prozent seiner Steinzeug-Sammlung bestehen aus Fundstücken, überschlägt der Sammler. Nicht nur auf ehemaligen Fabrikgeländen wie dem Cremer & Breuer-Gelände hält er Ausschau nach diesen Relikten der Industriegeschichte, auf die sonst keiner achtet, er findet sie auch im Sperrmüll oder in Bau- und Entrümpelungscontainern. Etwa 20 Prozent der Sammlung habe er geschenkt bekommen. Und die restlichen 10 Prozent habe er dazu gekauft. Das beträfe vor allem die Sammlerstücke aus Oom‘scher Keramik. Die kunstvollen bau- und feinkeramischen Arbeiten von Toni Ooms wurden zwischen 1919 und 1934 in der Frechener Steinzeugfabrik Kalscheuer hergestellt und gelten als industriell gefertigt.
Erste Rohrpressmaschine 1852
Der Großteil seiner Sammlung besteht jedoch aus Tonröhren und Formstücken und Bruchteilen davon. Besonders achtet Bernd Mayerhofer darauf, dass das Herstellerzeichen zu erkennen ist: „Ich hab‘ es am liebsten, wenn die Stempel vollständig erhalten auf den Stücken stehen.“ Wo es sich anbietet, schneidet er Rohrstücke mit dem Herstellerzeichen fein säuberlich aus, um sie seiner Sammlung hinzuzufügen. In seinem Kellergewölbe im Stadtarchiv lagern diese Rohrstücke in einem Schrank, daneben bewahrt er die Stempel und andere Werkzeuge auf, die er auf Abbruchgeländen gefunden hat. Und jede Menge „Segerkegel“, mit denen die Temperatur beim Brennvorgang ermittelt werden konnte.
Im Jahr 1985 wurde in der sanierten Marienschule im Stadtzentrum, die heute das Stadtarchiv beherbergt, ein Keramikmuseum eingerichtet. Museumsleiterin Dorette Kleine erkannte den historischen Wert der Mayerhof’schen Sammlung und richtete für industriell gefertigtes Steinzeug einen eigenen Raum ein. Dort war auch die erste Rohrpressmaschine als Nachbau zu sehen, die 1852 von einem findigen Kaufmann namens Heinrich Eduard Sticker in Frechen installiert wurde. Zuvor hatten die Töpfer Rohre mit der Hand gedreht. Das Ereignis markiert den Beginn der industriellen Steinzeug-Produktion in Frechen.
Lieblingsstück im Blumenbeet
Den größten Teil seiner Sammlung hat Bernd Mayerhofer lange bei sich zu Hause aufbewahrt. Doch irgendwann wurde es zu viel. Seit 2008 ist der Großteil der Mayerhof’schen Steinzeug-Sammlung im Keller des Stadtarchivs untergebracht. Der Raum sei sehr feucht und daher nicht anderweitig nutzbar, erklärt Alexander Entius. Nur dem historischen Steinzeug kann die Feuchtigkeit nichts anhaben. Ein paar Stücke habe er aber schon noch zu Hause, verrät Bernd Mayerhofer. „Damit ich da auch meine Freude dran haben kann.“ Einen keramischen Lüftungsaufsatz vom Dach der Fabrik Balkhausen zum Beispiel, den er schon als Zwölfjähriger am liebsten abmontiert und mit nach Hause genommen hätte. Der Zufall wollte es, dass er eines dieser Stücke als Erwachsener bei einem Maurermeister in Buschbell entdeckte, wiedererkannte und kaufte. Heute steht das Stück in einem Beet im Hof seines Hauses in Frechen. Drauf sitzen kann man noch immer.
An den Lüftungsschachtaufsatz kann ich mich noch erinnern . Wir waren als Kinder oft in der Fabrik Balkhausen , haben alles erkundet .
Bernd Meyerhoffer hat eine tolle Sammlung. Die wir bereits persönlich besichtigen durften. Er leistet großartiges für die Stadt Frechen, Lieben Gruß v. Sandra und Manfred